Flächenentwicklung Handschuhsheims
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Beitrag im Jahrbuch 2000 des Stadtteilvereins Handschuhsheim

Die Flächenentwicklung Handschuhsheims

     von Petra Bauer und Dieter Teufel

Die Gemarkung Handschuhsheim ist mit Sicherheit seit der Jungsteinzeit besiedelt wie verschiedene Funde belegen.1 Schon damals, in der Übergangszeit des Menschen vom Sammler zum Bauern, schätzten die Ur-Handschuhsheimer sicherlich die hervorragende Kombination von fruchtbarem Boden, ausreichender und guter Quellwasserversorgung, Fischgründen im Neckar und mildem Klima.

Die erste Schätzung der Einwohnerzahl des Ortes Handschuhsheim gibt für die Zeit um das Jahr 800 n.Chr. 250 bis 300 Einwohner an. Ab dem 16. Jahrhundert liegen dann genauere Akten vor, aus denen die Einwohnerzahlen des Dorfes Handschuhsheim entnommen werden können.2 Die Grafik "Handschuhsheim, Einwohnerzahl" zeigt die Einwohnerentwicklung in den letzten 500 Jahren aus allen verfügbaren Quellen. Aus der Bevölkerungskurve lassen sich u.a. mehrere schicksalhafte Ereignisse ablesen wie z.B. die Pest Ende des 16. Jahrhunderts oder die Plünderungen Melac`s 1681, bei denen 200 Handschuhsheimer umkamen.

Einwohnerentwicklung Handschuhsheims handeinwohner.gif (12670 Byte)

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nahm die Bevölkerung nur sehr langsam zu, im 19. Jahrhundert beschleunigte sich das Wachstum, um nach der Eingemeindung Handschuhsheims nach Heidelberg im Jahr 1903 fast zu explodieren. Erst in den letzten Jahrzehnten stabilisierte sich die Einwohnerzahl auf heute ca. 15 500.


Wie wird Handschuhsheim in hundert Jahren aussehen ?

Diese Frage bewegt uns am Beginn eines neuen Jahrhunderts besonders. Wenn wir die Gebäude, Straßen und Plätze anschauen scheint es, daß eine Stadt etwas Stetes und Festes ist, das Bestand für Jahrhunderte hat. Betrachten wir die Entwicklung jedoch über einen längeren Zeitraum, werden uns gravierende Veränderungen bewußt.

Um uns davon ein Bild zu machen, haben wir einmal aus alten Karten und Stadtplänen die bebauten Flächen zu verschiedenen Zeitpunkten zusammengestellt: Die zweimal vier Bilder "Entwicklung der bebauten Flächen 1838 bis heute" zeigen die Siedlungsentwicklung in den letzten 160 Jahren von Heidelberg und von Neuenheim/Handschuhsheim. Erst mit diesem Abstand der Zeit wird deutlich, in welch rasantem Tempo die überbauten Flächen zugenommen haben und die natürlichen Freiflächen verschwunden sind. Dabei hat sich der Flächenverbrauch in den letzten Jahrzehnten noch deutlich beschleunigt. Waren bis etwa 1950 die meisten Flächen Heidelbergs noch Natur oder landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Freiflächen, sind die meisten Flächen inzwischen von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen überbaut.

Dies mag uns Mahnung für die Zukunft sein: Boden ist nicht vermehrbar. Naturflächen, die einmal überbaut oder asphaltiert wurden, sind in der Regel für immer dem Naturkreislauf entzogen. In der Vergangenheit wurden die Entscheidungen zur Umwandlung von Natur- in Bau- und Straßenflächen jeweils im Bewußtsein getroffen, es handle sich im Einzelfall ja nur um eine kleine Fläche. In der Summe jedoch addierten sich die Einzelentscheidungen dann zu der in den Bildern deutlich werdenden Entwicklung.

 

Entwicklung der bebauten Flächen Heidelbergs 1838 bis heute

Heidelberg im Jahr 1838    hd1838.gif (2861 Byte) Heidelberg im Jahr 1906    hd1906.gif (4397 Byte)
Heidelberg im Jahr 1938    hd1938.gif (6526 Byte) Heidelberg im Jahr 1999    hd1999.gif (13306 Byte)

 

Entwicklung der bebauten Flächen Handschuhsheims und Neuenheims 1838 bis heute:

Handschuhsheim im Jahr 1838    hand1838.gif (2936 Byte) Handschuhsheim im Jahr 1906    hand1906.gif (3912 Byte)
Handschuhsheim im Jahr 1938    hand1938.gif (6083 Byte) Handschuhsheim im Jahr 1999    hand1999.gif (12037 Byte)

 

Die Ursache der Zersiedlung ist nicht die Bevölkerungszunahme 

Sehr interessant sind die Ursachen dieser Entwicklung. Die politischen Beschlüsse zur Ausweitung der Siedlungsflächen und zur Schaffung neuer Baugebiete wurden jeweils im Bewußtsein getroffen, daß eine wachsende Bevölkerung mehr Wohnraum braucht. Dies war auch in der Zeit der vergangenen Jahrhunderte der Fall. Interessant ist jedoch, daß sich die Ursache der Zersiedlung in den letzten 50 Jahren gravierend gewandelt hat. Wie die Grafik "Heidelberg: Entwicklung von Wohnungen, Wohnflächen und Bevölkerung" zeigt, nahm seit den 60er Jahren die Bevölkerung in Heidelberg nicht mehr zu. Trotzdem beschleunigte sich gerade in diesem Zeitraum der Flächenverbrauch: Die Zahl der Wohnungen wuchs seit Mitte der 60er Jahre um 60%, die gesamte Wohnfläche um 73%. Das gleiche gilt für Handschuhsheim. Die Einwohnerzahl liegt heute mit 15 560 sogar niedriger als 1961 (16 125).

handwohnfl.gif (15789 Byte)

Die Ursache dieser enormen Diskrepanz zwischen gleichbleibender Bevölkerung und Zunahme der Wohnbebauung zeigt die Grafik "Heidelberg: Bewohner/Wohnung und Wohnfläche/Einwohner". Die Ursache des Flächenverbrauchs ist seit Jahrzehnten nicht mehr die Zunahme der Bevölkerung, sondern die Vereinzelung in der Gesellschaft, was sich in der sinkenden Zahl der Bewohner pro Wohnung ausdrückt. Heute sind in Heidelberg 53,3% aller Haushalte Single-Haushalte ! In Handschuhsheim liegt ihr Anteil mit 55,2% sogar noch höher als im Durchschnitt Heidelbergs. Auch die Zunahme der Wohnfläche pro Bewohner ist vor allem durch diese Vereinzelung verursacht. Wenn mehrere Menschen in einer Wohnung wohnen, teilen sie sich die allgemeinen Wohnflächen für Treppenhaus, Flur, Küche, Bad, WC und Wohnzimmer. Leben die Menschen als Single allein in einer Wohnung, braucht jeder eine Küche, ein Bad, einen Flur usw.

handbewohner.gif (11944 Byte)

Die folgende Tabelle zeigt eine Zusammenstellung der Bebauungspläne in Handschuhsheim seit den 50er Jahren:

Bebauungsplan Datum
Klausenpfad/St.Vitusgasse 27.10.1950
Markthalle Husarenstraße 21.10.1955
Zeppelinstraße/Angelweg 16.04.1959
Zapfenberg 19.08.1960
Änderung nördlich des Angelweges 25.02.1961
Hans-Thoma-Platz 25.02.1961
Mühltal 25.02.1961
Neuer Friedhof 12.08.1961
Westlich der Dossenheimer Landstr. 24.02.1962
Mühltalstraße 10.05.1963
Östlich der Dossenheimer Landstr. 11.05.1963
Gewann Fennenberger 06.03.1964
Krankenhaus Salem 19.02.1965
östl. Do.h. Landstr., Änd. d. baul. Nutzung 01.03.1968
Änderung Schulgelände 23.05.1969
Neues Sport- und Universitätsgelände 17.07.1970
Weiher 11.02.1972
Neuer Friedhof Erweiterung 01.02.1974
Zum Steinberg 30.12.1975
Langgewann 23.07.1976
Andreas-Hofer-Weg 01.04.1977
Änderung östl. der Dossenheimer Landstr. 10.03.1978
Langgewann Erw. im südwestl. Bereich 16.03.1979
Änderung Andreas-Hofer-Weg 29.02.1980
Dauerkleingartenanlage 30.12.1981
Weiher, geänd.Anbind. Fr.-Frey-Str. an B3 12.11.1982
Langgewann, Änd. des Beb.pl. v.23.07.1976 29.01.1987
Mauerwiesen 06.04.1989
Zum Steinberg 15.09.1994
Berliner Straße zw. INF u. Hans-Thoma-Pl. 22.09.1994
Blumenthalstraße West 18.11.1998
Nördlich Klausenpfad Tennisanlage HTC 02.12.1998

Glücklicherweise wurden in Handschuhsheim nicht alle Pläne für Baugebiete verwirklicht.

In der RNZ vom 10.10.1969 lesen wir:

   "Auch der Norden muß Zukunft haben

    Ein Arbeitskreis Bauplanung beschäftigt sich nach den Worten seines Vorsitzenden, Architekt Hans-Peter Pollich, mit konkreten Vorschlägen: Einmal für Neubaugebiete, zum anderen für die Stadterneuerung. ... Daß die Handschuhsheimer nicht nachlassen werden, für eine Hangbebauung rechts der B3 einzutreten, daran ließ Stadtrat Kücherer keinen Zweifel. ‘Wir verlangen es planerisch und wenn es erst 1972 realisiert werden kann.’ Er sprach von einem Gebiet von 35 ha am Hellenbach und meinte, daß man im Süden der Stadt auch ‘an den Hang gegangen ist’. Hans-Peter Pollich: ‘Auch der Norden muß eine Zukunft haben ...’ "

Auf vollständige Ablehnung stießen die Pläne zur Hangbebauung dagegen beim SPD-Ortsverein Handschuhsheim.

Eine weitere Hangbebauung war Anfang der 80er Jahre in einer Größe von insgesamt 11 Hektar im Gebiet Leimengrube geplant. Hier wurde jedoch schon früh erkannt, daß durch eine weitere Besiedlung der Hänge die Frischluftzufuhr für die Ebene unterbrochen wird. Ein weiteres Argument war die äußerst problematische Verkehrsanbindung dieses Gebietes, welches kostspielige Hangstraßen und die Zerstörung schöner Spazierwege und Gärten gebracht hätte.

Wir können heute von Glück sagen, daß diese Bebauung wertvoller natürlicher Freiräume am Hang nicht erfolgt ist.

Das Wohnen in der Ebene hat aber auch noch andere Vorteile. Wie die Grafik "Bevölkerung Handschuhsheims, Wohnhöhe" zeigt, wohnen heute 91% der Bewohner Handschuhsheims in der Ebene, weitere 4% in einer Höhe von maximal 30m über der Ebene. Dies bedeutet ideale Bedingungen für die Fußgänger- und Fahrraderreichbarkeit fast aller Ziele in Handschuhsheim, die von den Handschuhsheimern auch gut genutzt werden: 72% aller Wege in Handschuhsheim werden umweltfreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt, zum Einkaufen in Handschuhsheim kommen die Menschen sogar zu 73% zu Fuß oder mit dem Fahrrad.

Wohnorthöhe der Handschuhsheimer   handebene.gif (14746 Byte)

 

Flächenverbrauch geht weiter

Auch in Zukunft muß jedoch befürchtet werden, daß der Flächenverbrauch weiter geht. Im Jahr 1996 beschloss der Gemeinderat, in Heidelberg bis zum Jahr 2010 weitere 8 000 bis 10 000 Wohnungen zu bauen, obwohl die Bevölkerungszahl nicht mehr zunimmt. Dies wird den Trend des Flächenverbrauchs weiter fortsetzen.

8 000 bis 10 000 Wohnungen bis zum Jahr 2010 entsprechen einer linearen Fortschreibung der Bautätigkeit der letzten Jahrzehnte in die Zukunft. In den 14 Jahren von 1980 bis 1994 wurden in Heidelberg 10 300 Wohnungen fertiggestellt. Zur Größenordung: Der zuletzt gebaute Stadtteil Emmertsgrund umfaßt heute 2 650 Wohnungen. 8 000 bis 10 000 neue Wohnungen entsprechen einem Bauvolumen von 3 bis 4 Stadtteilen der Größe des Emmertsgrundes. daß diese Neubautätigkeit nicht in einem Stadtteil, sondern an mehreren Stellen der Stadt realisiert werden soll, reduziert dabei nicht das Bauvolumen.

Diese Entwicklung wurde in der Vergangenheit nie im voraus für einen langen Zeitraum geplant. Auch die jetzige Vorgehensweise faßt immer nur die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte ins Auge. Jede weitere Inanspruchnahme von Flächen wird dabei jeweils linear mit den in der jeweiligen Zeit vorherrschenden Sachzwängen begründet. Bei weiterem Wachstum ist jedoch absehbar, daß die noch vorhandenen Freiflächen Heidelbergs noch zu unseren Lebzeiten weitgehend zerstört sein werden, da Fläche nicht vermehrbar ist.

Dieses Problem ist nur dann lösbar, wenn aus der Tatsache der nicht vermehrbaren Flächen irgendwann Konsequenzen gezogen werden und eine nicht mehr überschreitbare Grenze der Bebauung festgelegt wird. Wenn der Mut fehlt, dies jetzt zu tun, ist die Frage zu stellen, aufgrund welcher Sachlage dies dann irgendwann in Zukunft geschehen sollte ?

Der Bau von 8 000-10 000 Wohnungen bis zum Jahr 2010 hätte den Verbrauch aller heute noch verfügbaren Baulandflächen in Heidelberg bis zum Jahr 2010 zur Folge. Über den Zeitraum nach dem Jahr 2010 macht der neue Stadtentwicklungsplan keine Aussagen.  

Der Verbrauch von wertvollem Gartenland für Bebauung und Straßen war in Handschuhsheim schon früher ein wichtiges Thema.3, 4   Im Jahr 1984 schreibt Willi Kücherer, damals Vorsitzender des Stadtteilvereins, im Jahrbuch:    "Man kann nur hoffen, daß die Grünzone vor den Toren dieser Stadt nicht von Baulöwen und für den Straßenbau weggefegt wird und das unersetzliche Gartenland erhalten bleibt. Sonst würden nur noch die Gewann-Namen als Straßen-Namen in Erinnerung bleiben."


Zubringer Nord

Am meisten entzündete sich die Diskussion in den 70er Jahren am Plan der Verwaltung,  durch das Handschuhsheimer Feld einen Autobahnzubringer zu bauen. Dieser hätte das wertvolle Gartenland des Feldes in zwei Teile geteilt, mehrere Gärtnereibetriebe zerstört und das wertvolle Gartenbauland mit Schadstoffen belastet.

Es ist interessant, dazu in alten Zeitungen und Akten zu blättern. Im Tageblatt vom 29.4.1969 erklärte z.B. der damalige Oberbürgermeister unter der Überschrift "Nicht falsche Hoffnungen wecken, Zubringer Nord muß gebaut werden", daß in Handschuhsheim in den siebziger Jahren das Verkehrschaos ausbricht, wenn der Zubringer Nord nicht gebaut wird:

  "Oberbürgermeister Zundel erklärte wörtlich: ...Prof. Schächterle hat bei seinem letzten Vortrag vor dem Gemeinderat dargelegt, welches Verkehrschaos auf der Bundesstraße 3 und insbesondere auf dem Hans-Thoma-Platz eintreten würde, wenn nicht schnellstens nach Eröffnung des Main-Neckar-Schnellweges (A5) im Sommer 1970 der Zubringer Nord gebaut wird. Der Gemeinderat unserer Stadt und sämtliche befaßten Landesdienststellen vertreten hier eine einhellige Meinung. Ein Landtagsabgeordneter, der nicht in Heidelberg gewählt ist, sollte zumindest eine solche Entscheidung einer Gemeinde respektieren und nicht falsche Hoffnungen wecken. Er sollte auch daran denken, daß Heidelberg insgesamt, ganz besonders aber Handschuhsheim, darum kämpfen, sobald als möglich im Landeshaushalt die Gelder für den Bau des Zubringer Nord vorzufinden. Wenn wir jetzt Zweifel an dem Zubringer Nord wecken, besteht die große Gefahr, daß Heidelberg mit den Finanzen für den Zubringer unter den Tisch fällt und wir dann 1974 oder 1975 unerträgliche Verhältnisse auf der B3 in Handschuhsheim haben werden."

Unter der Überschrift "Allergrößte Gefahr für paradiesischen Garten" berichtet die RNZ am 9. Mai 1978 von einem Protestbrief Handschuhsheimer Gärtner gegen den Nord-Zubringer und die in den selben Jahren geplante Hangstraße durch Handschuhsheimer Gemarkung ins Steinachtal. In dem Protestschreiben heißt es "Nach unserem Verständnis kann die Frage nur lauten: Gartenbaugebiet oder Straßen." Das Protestschreiben ist an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, die zuständigen Ministerien, an das Regierungspräsidium, an Oberbürgermeister Zundel und die Mitglieder des Heidelberger Gemeinderats gerichtet. Dem Protest der Gärtner-Vereinigung Heidelberg-Handschuhsheim e.V. (1.Vorsitzender Fritz Rupp) haben sich der Obst- und Gartenbauverein Handschuhsheim, der Bauernverband Heidelberg, der Erzeuger-Großmarkt Bergstraße, die Obst- und Gemüse-Erzeugergenossenschaft Heidelberg und der Nutzwasserverband Handschuhsheim angeschlossen. Auch bei einem Gespräch von Vertretern des Stadtteilvereins und der Handschuhsheimer Obst- und Gartenbauvereine mit OB Zundel im Mai 1978, in dem dieser die Tieferlegung des geplanten Zubringer Nord um 3 Meter zusagt, bleiben die Handschuhsheimer bei ihrer klaren Ablehnung.

Am 10. Oktober 1978 erklärt OB Zundel, daß der Heidelberger Gemeinderat "seit dem ersten Flächennutzungsplan von 1964 bereits mit insgesamt 5 Voten für den Autobahnzubringer Nord durch das Handschuhsheimer Feld entschieden habe und entsprechend dieser Entscheidung sowohl der Regionalverband als auch der Raumordnungsverband den Zubringer Nord in seine Planungen übernommen hat."

Trotz dieser fünf Beschlüsse des Heidelberger Gemeinderats für den Zubringer Nord wurde er zum Glück nicht gebaut. Der Widerstand der Handschuhsheimer, für den wir alle heute dankbar sein können, hatte schließlich Erfolg gehabt. "Gott sei Dank," sagt Reinhold Zundel heute anläßlich seines 70. Geburtstages, "das Feld wäre nicht mehr das Feld." 5 

Heute ist das Handschuhsheimer Feld wieder durch ein neues Verkehrsprojekt gefährdet. Die Planung einer 5. Neckarquerung mit Ausbau des Klausenpfads würde weitere Freiflächen kosten und den Schleichverkehr im Handschuhsheimer Feld deutlich erhöhen.

 

Das Neuenheimer Feld

Ein besonders großer Flächenverbrauch fand in den letzten Jahrzehnten im Neuenheimer Feld, vor allem durch die Universität, statt.

Flächenverbrauch im Neuenheimer Feld pro Jahrzehnt     handnhf.gif (15435 Byte)

Die Grafik "Neuenheimer Feld, Flächenverbrauch/Jahrzehnt" zeigt die Entwicklung des Flächenverbrauchs pro Jahrzehnt. Daraus ist ersichtlich, daß auch im Neuenheimer Feld der Verbrauch von Flächen in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist. Durch die Übernahme des vor allem im Besitz der Pflege Schönau befindlichen Neuenheimer Feldes durch das Land wurde zwar die Grundlage dafür geschaffen, die naturwissenschaftlichen Institute der Universität aus der Altstadt zu verlegen. Die Art des Flächenmanagements zeigt jedoch, daß die Verantwortlichen bis heute anscheinend das Gefühl haben, daß die Flächen in ausreichender und unbegrenzter Größe vorhanden sind. Gerade die in den letzten Jahren erbauten Gebäude zeigen, daß vor allem in die Fläche, nicht in die Höhe gebaut wurde. Viele Gebäude weisen nur eine Höhe von 2 bis 4 Geschossen auf und sind alles andere als flächensparend gebaut. daß mit Eigentum im Allgemeinbesitz anders umgegangen wird als mit Privateigentum zeigt auch das Beispiel der Stellplätze. Im Neuenheimer Feld gibt es rund 5700 Pkw-Stellplätze für Studenten und Beschäftigte. Diese nehmen eine asphaltierte Fläche von rund 115 000 m2 ein! Obwohl ihr Bodenwert nach den heutigen Bodenpreisen rund 110 Millionen DM beträgt, ist für alle, die mit dem Auto ins Neuenheimer Feld fahren, das Parken völlig kostenlos. Die Beschäftigten jedoch, die das Auto zuhause lassen und mit dem Öffentlichen Verkehr in das Neuenheimer Feld zur Arbeit fahren, müssen für eine allgemeine VRN-Monatskarte 231,- DM im Monat bezahlen.

Heute sind 43% des Kfz-Verkehrs auf der B3 in Handschuhsheim Verkehr, der in das Neuenheimer Feld fährt oder von dort kommt. Eine sinnvolle Lösung wäre die Kombination einer Parkraumbewirtschaftung auf dem Unigelände mit z.B. 40, - DM pro Monat und einem Job-Ticket in Höhe von ca. 35,- DM pro Monat für den Gesamt-VRN wie es in vielen anderen Betrieben und Teilen der öffentlichen Verwaltung inzwischen normal ist. Dann wäre es plötzlich billiger, mit dem Öffentlichen Verkehr in das Neuenheimer Feld zu fahren als mit dem Auto. Berechnungen zeigen, daß allein durch eine solche Lösung, die die öffentliche Hand nichts kosten würde, sondern sogar Einnahmen brächte, der Kfz-Verkehr auf der B3 in Handschuhsheim um 16% abnehmen würde. Trotzdem wird eine solche Lösung seit Jahren, u.a. von dem zuständigen Landtagsabgeordneten der CDU, verhindert.

Obwohl sich der Bezirksbeirat und der Stadtteilverein mehrmals einstimmig gegen eine Bebauung des Handschuhsheimer Feldes nördlich des Klausenpfads ausgesprochen haben, erfolgte 1999 mit dem Bau des Tennisclubs HTC der erste massive Eingriff in den Zentralbereich des  Handschuhsheimer Feldes nördlich des   Klausenpfads. Die Verlegung des HTC in das Handschuhsheimer Feld war notwendig geworden, weil die Universität am alten Standort des HTC Parkplätze (!) bauen will.


Buchenwald im Handschuhsheimer Feld ?

Das nächste große Projekt, das in das Handschuhsheimer Feld gebaut werden soll, ist die geplante Verlegung des Botanischen Gartens auf einer Fläche von 10 ha nördlich des Klausenpfads. Der Botanische Garten am heutigen Standort wurde in den letzten Jahrzehnten durch die ausufernde und wenig Platz sparende Bebauung der Universität immer mehr zerstückelt.

Die Planung, die auch in der Biologischen Fakultät umstritten ist, folgt dabei traditionellen Konzepten eines in sich geschlossenen Botanischen Gartens. Darin sollen z.B. mehrere Standort-Biotope wie ein Buchenwald mit 10 000 m2 und ein Hecken- und Wiesengesellschaften-Biotop mit 8 000 m2 angelegt werden. Bereits in diesem Jahr soll mit dem erste Bauabschnitt, einer Hügellandschaft aus Erdaushub vom Neubau der medizinischen Klinik begonnen werden. Als Hauptbegründung für das neue Konzept auf großer Fläche wird "ökologische" Forschung und Lehre angegeben. Das 31-seitige Konzept enthält das Wort Ökologie/ökologisch insgesamt 27 mal.

Schaut man sich das Konzept jedoch genauer an, wird deutlich, daß mit dem neuen Botanischen Garten eine moderne ökologische Forschung gar nicht verwirklicht werden könnte. Das Konzept beschäftigt sich vor allem mit Fragestellungen der 60er und 70er Jahre. Moderne Wissenschaft muß heute Antworten geben können auf die Fragen und Probleme der Gegenwart und der Zukunft. Hier bietet das Verlegungskonzept leider keinerlei Ansätze. Gefragt wäre die Botanik heute z.B. bei folgenden Themen:

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Funktion von Pflanzen und Grünanlagen für Stadtklima, Absorption von Luftschadstoffen, Lärmschutz, Erholung und städtische Tierwelt

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Gesundheitszustand, Erhaltung und Neuanpflanzung von Straßen- und Alleebäumen

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Ursachen und Bekämpfung der Waldschäden und anderer Vegetationsschäden

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Entwicklung einer naturgemäßen Waldbewirtschaftung und Ausweisung und wissenschaftliche Betreuung von Bannwäldern im Heidelberger Stadtwald

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Möglichkeiten von Häuser- und Dachbegrünungen

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Einfluß von Schadstoffen auf das Bodenleben

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Einfluß der Intensivlandwirtschaft auf Nahrungsmittelqualität, Grundwasser, Tierwelt und Naturschutz

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wissenschaftliche Begleitung einer Ökologisierung der Landwirtschaft und des Gartenbaus

Das Konzept eines großen Botanischen Gartens, in dem von Gärtnern wohl behütet auf isolierten Flächen einzelne Biotope gepflegt werden, geht an den drängenden Fragen unserer Gesellschaft vorbei. Ökologische Forschung ist in künstlichen Biotopen ohnehin nicht realistisch möglich. Nur wenn ökologische Wissenschaft dorthin geht, wo die Probleme liegen, können realistische Ergebnisse erzielt werden. Dabei erhalten die Studenten ganz nebenbei auch eine bessere Ausbildung, in der sie erfahren, wo die tatsächlichen Probleme liegen und wie sie gelöst werden können. Das vorliegende Konzept sieht z.B. die Kultivierung von Unkrautfloren im Botanischen Garten vor, da "Unkrautfloren durch den modernen Herbizideinsatz stark bedroht sind". Sehr viel sinnvoller als ein isoliertes Unkraut-Biotop im Botanischen Garten wäre es, Forschungen und Projekte zur ökologischen Unkrautbehandlung in Gartenbau und Landwirtschaft durchzuführen.

Im Handschuhsheimer Feld wirtschaften z.B. bisher nur 3 Gärtnereibetriebe biologisch, eine zunehmende Anzahl betreibt integrierten Anbau. Um eine umweltschonende ökologische Wirtschaftsweise auf breiter Basis einzuführen, bräuchten die Betriebe kompetente Hilfestellung von wissenschaftlicher Seite. Diese fehlt bisher von Seiten der Universität völlig. Hier läge ein weites lohnendes Betätigungsfeld für die Botanik. Statt durch einen neuen Botanischen Garten weitere 100 000 m2 wertvolle Freifläche zu verbrauchen, könnten so die gesamte Fläche des Handschuhsheimer Feldes und darüber hinaus alle Grünanlagen Heidelbergs ökologischer werden. Dies käme nicht nur bedrohten Pflanzen- und Tierarten zugute, sondern auch der Qualität von Grundwasser und landwirtschaftlichen Produkten, der Wettbewerbsfähigkeit der Erwerbsgärtnereien und der Gesundheit der Bewohner unserer Stadt.

Ausblick

Wie unsere Stadt in hundert Jahren aussehen wird, können wir heute nicht wissen. Wir können aber Szenarien berechnen: Wenn der Flächenverbrauch in Zukunft so weiter geht wie in den letzten 5 Jahrzehnten, dann wird es schon lange vor dem Jahr 2100 in Heidelberg keine Freiflächen in der Ebene mehr geben. Der Zustand einer Stadt ist kein unabänderliches Schicksal, sondern die Folge einzelner Entscheidungen. Nur wenn wir heute und in Zukunft die verbliebenen Freiflächen aktiv schützen, werden diese unseren Nachkommen erhalten bleiben.

1 z.B. Berndmark Heukemes, "Ein viertausendjähriges Sippengrab im Gewann Schänzel entdeckt", Jahrbuch des Stadtteilvereins, 1986
2 u.a. Herbert Derwein, "Handschuhsheim und seine Geschichte", Nachdruck, Heidelberg, 1997, Kurt Neureither, Staatsexamensarbeit "Die bauliche Entwicklung Handschuhsheims seit 1880", Juni 1977 und Statistiken des Amts für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Heidelberg
3 Fritz Rupp "In Sorge um die Bewahrung des einheimischen Gartenbaus" in Stadtteilverein Handschuhsheim: "1200 Jahre Handschuhsheim 765-1965", 1965
4 in den Jahrbüchern des Stadtteilvereins z.B. 1982 Friedel Wernz "Ein gesegnetes Land vor den Toren einer Großstadt - wie lange noch ?"; 1983 Friedel Wernz "Das Dorf wird Stadtteil - Wachstum, Grenzen und Zukunft"; 1983 Martin Lenz "Handschuhsheim im Wandel der Zeit!"
5 Stuttgarter Zeitung vom 8.4.2000

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