"Aufbruch und Erneuerung -
Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert
Koalitionsvereinbarung zwischen der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und
Bündnis 90 / Die Grünen
"...
3. Senkung der Lohnnebenkosten durch eine
ökologische Steuer- und Abgabenreform
Die neue Bundesregierung will Beschäftigung fördern
und umweltfreundliches Handeln belohnen. Dazu werden
wir eine ökologische Steuer- und Abgabenreform
durchführen.
Mit der ökologischen Steuer- und Abgabenreform setzen
wir marktwirtschaftliche Anreize für die Entwicklung
energiesparender und umweltschonender Produkte und
neuer Produktionsverfahren und für ein umweltbewußtes
Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die
ökologische Steuer- und Abgabenreform ist ein
marktwirtschaftliches Instrument moderner Technologie-
und Industriepolitik. Sie fördert den Strukturwandel und
schafft neue Arbeitsplätze.
Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, daß die
Sozialabgaben gesenkt werden. Die Entlastung der
Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen
Lohnnebenkosten ist ein Eckpfeiler unserer Politik für
neue Arbeitsplätze.
Dazu werden wir zum einen Strukturreformen
durchführen, um die Zielgenauigkeit und
Wirtschaftlichkeit der sozialen Sicherungssysteme zu
verbessern. Zum anderen werden wir die gesetzlichen
Lohnnebenkosten im Rahmen einer ökologischen
Steuer- und Abgabenreform senken. Wir werden die
Sozialversicherungsbeiträge von heute 42,3 Prozent des
Bruttolohns durch die Einnahmen aus der ökologischen
Steuerreform auf unter 40 Prozent senken. Das entlastet
Beschäftigte und Unternehmen.
Die konkrete Ausgestaltung der ökologischen Steuer-
und Abgabenreform erfolgt wirtschaftspolitisch vernünftig
und sozial verträglich. Die neue Bundesregierung wird
eine soziale Flankierung der ökologischen Steuerreform
sicherstellen. Dabei wird berücksichtigt, inwieweit die
Haushalte bereits durch die große Steuerreform, die
Senkung der Sozialbeiträge oder durch andere
Reformen entlastet werden.
Die Finanzmittel aus der Belastung des
umweltschädlichen Energieverbrauchs werden im
Rahmen der Steuer- und Abgabenreform in vollem
Umfang an Bürgerinnen und Bürger und an die
Unternehmen zurückgegeben. Entscheidend für den
ökonomischen und ökologischen Erfolg der Steuer- und
Abgabenreform sind ihre Berechenbarkeit sowie
ausreichende Anpassungszeiträume.
Unser Ziel ist eine in zeitlich vorgegebenen Schritten
kalkulierbare Belastung des Energieverbrauchs. Diese
Grundidee wird bereits in anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, wie z.B. Großbritannien, praktiziert.
Das Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40
Prozent zu senken, wollen wir in drei Schritten erreichen.
In einem ersten Schritt werden wir 1999 die
Sozialversicherungsbeiträge um 0,8 Prozentpunkte
senken. Hierfür sind die Erhöhung der Mineralölsteuer für
Kraftstoffe um 6 Pfennig pro Liter, eine Anhebung der
Steuer auf Heizöl um 4 Pfennig pro Liter, bei Gas um
0,32 Pfennig pro kWh und für Strom um 2 Pfennig pro
kWh vorgesehen. In der Stromerzeugung eingesetzte
Energieträger werden ausschließlich über die
Besteuerung des Stroms erfaßt. Wegen der noch
ausstehenden europäischen Harmonisierung der
Energiebesteuerung wird in diesem ersten Schritt die
energieintensive Wirtschaft bei Heizöl, Gas und Strom
nicht belastet.
Wir werden den Einsatz regenerativer Energieträger
fördern und diese durch die ökologische Steuerreform
nicht belasten. Damit verbessern wir die preisliche
Wettbewerbsfähigkeit der Erzeugung und des Handels
erneuerbarer Energien. Auch für die Stromerzeugung
aus Kraftwerken mit hohen Wirkungsgraden werden wir
Anreize schaffen.
Dieses Konzept einer ökologischen Steuer- und
Abgabenreform entspricht in den Grundzügen den
Vorschlägen der Europäischen Kommission zur
Harmonisierung der Energiebesteuerung, die auch eine
Besteuerung des Stromverbrauchs vorsehen.
Die neue Bundesregierung wird mit der Übernahme der
EU-Präsidentschaft am 1. Januar 1999 entschieden
darauf hinwirken, daß die europäische Harmonisierung
der Energiebesteuerung beginnt. Dabei sollen die
bisherigen Vorschläge der EU- Kommission ökologisch
wirksamer ausgestaltet werden. Die neue
Bundesregierung wird die Ratspräsidentschaft der EU
für eine europäische Initiative zur Abschaffung der
Steuerbefreiung für Kerosin, Schiffsbrennstoffe und für
das Herstellerprivileg auch auf internationaler Ebene
nutzen.
Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der
beiden weiteren Schritte der ökologischen Steuerreform
zur zusätzlichen Senkung der gesetzlichen
Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent kann erst Mitte
1999 getroffen werden, wenn die Ergebnisse der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorliegen. Bei der
konkreten Ausgestaltung dieser Schritte muß auch die
konjunkturelle Lage und die Preisentwicklung auf den
Energiemärkten berücksichtigt werden.
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IV. Ökologische Modernisierung
1. Die ökologische Modernisierung für Arbeit
und Umwelt
Die ökologische Modernisierung ist die große Chance,
um die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und
mehr Arbeit zu schaffen. Die neue Bundesregierung wird
dafür sorgen, daß unser Land hierbei eine Vorreiterrolle
einnimmt.
Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigkeit. Die
Agenda 21 ist dafür unsere wichtigste Grundlage. Unser
Ziel ist eine nachhaltige, das heißt wirtschaftlich
leistungsfähige, sozial gerechte und ökologisch
verträgliche Entwicklung. Die Entwicklung und Einführung
neuer produktionsintegrierter und damit an den Ursachen
der Umweltzerstörung ansetzender Technologien und
Verfahren sowie innovativer Produkte und
Dienstleistungen wird zur Schaffung von zukunftsfähigen
Arbeitsplätzen beitragen.
Für den Schutz des Klimas wird die neue
Bundesregierung in allen Bereichen die Anstrengungen
verstärken. Sie bekräftigt das Ziel, insbesondere die
CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990
um 25 % zu reduzieren. Unser Ziel ist eine effiziente und
umweltverträgliche Energieversorgung. Wir werden die
erneuerbaren Energien verstärkt fördern, die
Rahmenbedingungen schaffen, um den
Energieverbrauch deutlich zu senken und so schnell wie
möglich aus der Atomenergie aussteigen. Die
Steigerung der Energie- und Ressourcenproduktivität
erbringt neue wirtschaftliche Vorteile und erschließt
wichtige Zukunftsmärkte. Sie führt zu Kostenentlastungen
bei den privaten und öffentlichen Haushalten.
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2. Umweltschutz: wirksam, effizient und
demokratisch
Die neue Bundesregierung wird eine nationale
Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten Zielen erarbeiten.
Dies geschieht im Dialog mit den wichtigen
gesellschaftlichen Gruppen. Die nationale
Nachhaltigkeitsstrategie ist ein wichtiges Instrument zur
Förderung ökologischer Innovationen wie auch zur
Umsetzung der Agenda 21. Das Beratungswesen wird
neu geordnet und gestrafft.
Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem
Umweltgesetzbuch zusammengeführt, um es effizienter
und bürgernäher zu gestalten. Neben einer Reform des
Ordnungsrechts werden dabei auch neue Instrumente
der Umweltpolitik, wie wirtschaftliche Anreize und eine
verstärkte Bürgerbeteiligung, einbezogen. Die
Umweltverbände erhalten ein Verbandsklagerecht.
Das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung stärkt
das Umweltbewußtsein der Akteure. Sie können
insbesondere in klar abgegrenzten Bereichen sinnvoll
sein und zu effektivem Umwelthandeln beitragen, wenn
die zu erreichenden Ziele und Zwischenziele eindeutig
festgelegt und überprüfbar (Monitoring) sind und sie im
Falle der Nichteinhaltung mit Sanktionen verbunden
werden. Selbstverpflichtungen in dieser Form können auf
geeignetem Gebiet Ordnungsrecht entbehrlich machen,
z.B. als Vereinbarungen mit Unternehmen. Die
Umwelthaftungspflicht wird entsprechend ausgebaut.
Die neue Bundesregierung wird das
Bundesnaturschutzgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die
Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und
landschaftsverträglich zu gestalten, ein großflächiges
Biotopverbundsystem mit ca. 10 % der Landesfläche zu
schaffen, die Artenvielfalt zu schützen und die
Verpflichtung zu einer flächendeckenden
Landschaftsplanung aufzunehmen.
Der Ausverkauf von Schutzgebieten in den neuen
Bundesländern wird unverzüglich gestoppt und ein
Konzept zur Sicherung des nationalen Naturerbes
erarbeitet.
Wir werden die ökologische Modernisierung zu einem
Schwerpunkt einer neuen Technologie- und
Industriepolitik machen.
Die Anforderungen für die Einleitung von Abwasser in
Gewässer müssen dem Stand der Technik entsprechen.
Im Bodenschutz muß der Vorsorgegedanke ein
stärkeres Gewicht erhalten. Dafür wird u.a. der Entwurf
der Bodenschutz- und Altlastenverordnung überarbeitet
und ein Konzept zur Entsiegelung und Renaturierung von
Flächen einbezogen.
Zur Verbesserung der Luftqualität werden wir dafür
sorgen, daß der Stand der Technik umgesetzt wird. Die
Sommersmogverordnung wird novelliert.
Die neue Bundesregierung wird die chemiepolitischen
Empfehlungen der Enquete-Kommission "Schutz des
Menschen und der Umwelt" so weit wie möglich
umsetzen.
Die neue Bundesregierung wird mit der
Kreislaufwirtschaft Ernst machen. Wir werden den
Aufbau von Stoffkreisläufen in der industriellen
Produktion und eine ökologische Gestaltung von
Produkten fördern. Dies umfaßt eine sinnvolle Regelung
für die Verwertung von Altautos und den gesamten
Bereich des Elektronikschrotts. Die
Verpackungsverordnung mit dem System des Grünen
Punktes wird ökologisch und ökonomisch sinnvoll
umgestaltet.
Zur Abfallvermeidung und Stärkung der
Produktverantwortung sind vor allem ökonomische
Anreize notwendig. Wo diese versagen, werden in
Zusammenarbeit mit den Ländern entsprechende
Instrumente entwickelt.
Durch eine eindeutige Abgrenzung von Verwertung und
Beseitigung wird sichergestellt, daß umweltschädliche
Billigentsorgung unterbleibt (u.a. unter Tage). Die neue
Bundesregierung wird Wettbewerb, Vielfalt und
Innovation stärken, um ökologische Ziele in der
Abfallwirtschaft durchzusetzen, die
mechanisch-biologische Verfahren einschließen. Um
Kostensteigerungen bei der Abfallentsorgung für die
Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden, werden wir an der
Steuerbefreiung kommunaler Entsorgungsunternehmen
unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben festhalten.
Die Altlastensanierung in den neuen Bundesländern wird
in vollem Umfang gesichert und neu strukturiert.
Die modernen Methoden der Bio- und Gentechnologie
sind in der Grundlagenforschung und angewandten
Forschung weltweit etabliert, ihr Einsatz in der Medizin,
wo sie die Entwicklung und Produktion neuer Impfstoffe
und Medikamente ermöglichen, findet wachsende
Akzeptanz. Biotechnologische Verfahren eröffnen auch
neue Möglichkeiten und Chancen bei der
umweltfreundlichen Umweltsanierung und können dazu
beitragen, Schadstoffe in unbedenkliche Stoffe
umzuwandeln oder durch unbedenkliche Produkte zu
ersetzen. Nach wie vor ist das Ausmaß notwendiger
Gefahrenabwehr und Risikovorsorge umstritten,
insbesondere in der Landwirtschaft und im
Lebensmittelbereich wird auch der gesellschaftliche
Nutzen kritisch hinterfragt. Die neue Bundesregierung
wird die verantwortbaren Innovationspotentiale der Bio-
und Gentechnologie systematisch weiterentwickeln.
Alternative Verfahren und Strategien müssen dabei
einen angemessenen Raum erhalten.
Der Vorrang des Schutzes von Mensch und
Umwelt muß im deutschen und europäischen
Gentechnikrecht gewährleistet werden.
Wir werden uns für den Erhalt der biologischen
Vielfalt und angemessene Sicherheitsvorschriften
in den weltweiten Verhandlungen zum
Biosafety-Protokoll einsetzen
Freilandversuche und das Inverkehrbringen
müssen wegen der langfristigen Auswirkungen des
Anbaus transgener Pflanzen in einem
Langzeit-Monitoring wissenschaftlich begleitet
werden.
Die Risiko- und Sicherheitsforschung werden wir
verstärken; negative Auswirkungen beim Einsatz
von Antibiotika-Resistenz-Genen müssen
verhindert werden.
Die Zuständigkeit für Genehmigungen bei der
Freisetzung und beim Inverkehrbringen von
gentechnisch veränderten Organismen werden
überprüft.
Wir werden die Erforschung der sozialen,
ethischen und rechtlichen Folgen der Anwendung
moderner biologischer und gentechnischer
Verfahren am Menschen, insbesondere bei der
Erforschung des menschlichen Genoms, zu einem
Schwerpunkt machen.
Wir werden den Schutz der Bürgerinnen und
Bürger vor genetischer Diskriminierung
insbesondere im Bereich der Kranken- und
Lebensversicherung gewährleisten.
Durch eine entsprechende Kennzeichnung werden
wir sicherstellen, daß gentechnikfreie Produkte und
Verfahren für die Verbraucherinnen und
Verbraucher klar erkennbar sind.
Deutschland wird sich bei internationalen
Umweltschutzvereinbarungen für anspruchsvolle
Umweltqualitätsziele einsetzen und
Umwelthandlungsziele einbringen, die international
abgestimmte Schritte auch auf einem längerfristigen
Pfad mit geeigneten Instrumenten ermöglichen und damit
positive Auswirkungen auf den internationalen
Wettbewerb haben. Wir streben eine größere
Harmonisierung der Umweltvorschriften in der
Europäischen Union auf hohem Niveau an. Wir wollen
internationale Vereinbarungen gegen Umweltdumping.
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3. Moderne Energiepolitik
3.1. Zukunftsfähige Energieversorgung
sicherstellen
Die neue Bundesregierung wird eine zukunftssichere,
umweltverträgliche und kostengerechte
Energieversorgung sicherstellen. Erneuerbare Energien
und Energieeinsparung haben dabei Vorrang; dazu
gehört auch ein 100.000-Dächer-Programm.
Die Umstrukturierung der Energieversorgung muß den
technologischen, ökologischen und
energiewirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen.
Wegen ihrer großen Sicherheitsrisiken mit der Gefahr
unübersehbarer Schäden ist die Atomkraft nicht zu
verantworten. Deshalb wird die neue Bundesregierung
alles unternehmen, die Nutzung der Atomkraft so schnell
wie möglich zu beenden.
Noch in diesem Jahr wird die neue Bundesregierung zu
Gesprächen über einen neuen Energiekonsens einladen.
Gemeinsam mit der Energiewirtschaft sollen die
Weichen gestellt werden für den Weg zu einem neuen,
zukunftsfähigen Energiemix ohne Atomkraft.
Die neue Bundesregierung wird die Entwicklung
zukunftsfähiger Energieversorgungssysteme und
wirksame Maßnahmen zur Energieeinsparung fördern.
Sie ist der Überzeugung, daß der Einstieg in neue
Energiestrukturen von wachsender wirtschaftlicher
Dynamik gekennzeichnet sein wird, die durch eine
Neugestaltung des Energierechts noch befördert werden
wird. Dabei geht es insbesondere um einen
diskriminierungsfreien Netzzugang durch eine klare
rechtliche Regelung und die Schaffung und Sicherung
fairer Marktchancen für regenerative und heimische
Energien und eine gerechte Verteilung der Kosten
dieser zukunftsfähigen Energien. Die neue
Bundesregierung wird den Kohlekompromiß von 1997,
der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt,
umsetzen.
Die neue Bundesregierung wird sich gemäß ihrem
Grundsatz "Vorrang der Einsparung vor der Erzeugung"
mit einem breiten Maßnahmenbündel der Förderung von
Einspartechnologien widmen, nicht zuletzt auch
angesichts der großen Exportchancen.
Die neue Bundesregierung wird die Hemmnisse
beseitigen, die heute noch eine verstärkte Nutzung
regenerativer Energien und den breiteren Einsatz der
Kraft-Wärme-Koppelung behindern.
Die neue Bundesregierung wird Instrumentarien
entwickeln, die zur Anpassung der Strompreise in den
neuen Ländern an das Westniveau führen.
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3.2. Ausstieg aus der Atomenergie
Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wird
innerhalb dieser Legislaturperiode umfassend und
unumkehrbar gesetzlich geregelt. Dazu vereinbaren die
Koalitionsparteien folgendes schrittweises Verfahren.
In einem ersten Schritt wird als Teil des
100-Tage-Programms eine erste Änderung des
Atomgesetzes mit folgendem Inhalt eingebracht:
Streichung des Förderzwecks
Einführung einer Verpflichtung zur
Sicherheitsüberprüfung, vorzulegen binnen eines
Jahres
Klarstellung der Beweislastregelung bei
begründetem Gefahrenverdacht
Beschränkung der Entsorgung auf die direkte
Endlagerung
Aufhebung der Atomgesetz-Novelle von 1998 (mit
Ausnahme der Umsetzung von EU-Recht)
Erhöhung der Deckungsvorsorge.
Im zweiten Schritt wird die neue Bundesregierung die
Energieversorgungsunternehmen zu Gesprächen
einladen, um eine neue Energiepolitik, Schritte zur
Beendigung der Atomenergie und Entsorgungsfragen
möglichst im Konsens zu vereinbaren. Die neue
Bundesregierung setzt sich hierfür einen zeitlichen
Rahmen von einem Jahr nach Amtsantritt.
Als dritten Schritt wird die Koalition nach Ablauf dieser
Frist ein Gesetz einbringen, mit dem der Ausstieg aus
der Kernenergienutzung entschädigungsfrei geregelt
wird; dazu werden die Betriebsgenehmigungen zeitlich
befristet. Der Entsorgungsnachweis wird angepaßt.
Zur Entsorgung vereinbaren die Koalitionsparteien
folgendes:
Die Koalitionsparteien sind sich einig, daß das
bisherige Entsorgungskonzept für die radioaktiven
Abfälle inhaltlich gescheitert ist und keine sachliche
Grundlage mehr hat. Es wird ein nationaler
Entsorgungsplan für die Erblast der radioaktiven
Abfälle erarbeitet.
Für die Endlagerung aller Arten radioaktiver
Abfälle reicht ein einziges Endlager in tiefen
geologischen Formationen aus.
Zeitlich zielführend für die Endlagerung aller Arten
radioaktiver Abfälle ist die Beseitigung
hochradioaktiver Abfälle etwa im Jahr 2030.
An der Eignung des Salzstocks in Gorleben
bestehen Zweifel. Daher soll die Erkundung
unterbrochen werden und weitere Standorte in
unterschiedlichen Wirtsgesteinen auf ihre Eignung
untersucht werden. Aufgrund eines sich
anschließenden Standortvergleichs soll eine
Auswahl des in Aussicht zu nehmenden Standorts
getroffen werden.
Die Einlagerung radioaktiver Abfälle in Morsleben
wird beendet. Das Planfeststellungsverfahren
bleibt auf die Stillegung beschränkt.
Grundsätzlich hat jeder Betreiber eines
Atomkraftwerks am Kraftwerkstandort oder in der
Nähe Zwischenlagerkapazitäten zu schaffen.
Bestrahlte Kernbrennstoffe dürfen nur dann
transportiert werden, wenn am Kraftwerk keine
genehmigten Zwischenlagerkapazitäten existieren
und dies vom Kraftwerksbetreiber nicht zu vertreten
ist. Die Zwischenlager werden nicht zum Zweck der
Endlagerung genutzt.
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4. Effiziente und umweltgerechte
Verkehrspolitik
Wir wollen ein Verkehrssystem, das die Mobilität aller
Menschen flächendeckend und umweltverträglich
gewährleistet. Verkehrsinvestitionen sind für
nachhaltiges Wachstum unverzichtbar. Die
Arbeitsplatzchancen der Mobilitätswirtschaft werden
genutzt.
Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist für die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands von zentraler
Bedeutung. Die Investitionen in Verkehrswege und
Umschlagplätze sind deshalb zur Umsetzung der
ökonomischen und ökologischen Ziele in ein
umfassendes Verkehrskonzept zu integrieren, das die
Voraussetzungen für die Verlagerung möglichst hoher
Anteile des Straßen- und Luftverkehrs auf Schiene und
Wasserstraßen schafft.
Der Bundesverkehrswegeplan ist in diesem Sinne zügig
zu überarbeiten. Dies gilt für die zu aktualisierenden
Verkehrs- und Preisprognosen, die
Bewertungsmaßstäbe, die verkehrsträgerübergreifenden
Integrationseffekte und für die Sicherstellung der
Finanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten.
Bis zum Abschluß der Überprüfung des
Bundesverkehrswegeplanes wird es bei im Bau
befindlichen Maßnahmen keine Bauunterbrechung
geben. Bereits vergebene Aufträge werden ausgeführt.
An der Priorität für den Aufbau Ost wird festgehalten.
Das schließt die Prüfung von Alternativen zu bisherigen
Vorhabenplanungen, wie die "Mitte-Deutschlandbahn"
(Kassel-Erfurt-Chemnitz-Dresden-Görlitz) und die
"Sachsen-Magistrale" (Chemnitz-Plauen-Nürnberg),
ausdrücklich ein.
Die besonderen Anforderungen an Mobilität gerade im
ländlichen Raum werden berücksichtigt.
Die Bahnreform muß zum Erfolg geführt werden. Dafür
sind faire und vergleichbare Wettbewerbsbedingungen
für alle Verkehrsträger herzustellen und vorhandene
Benachteiligungen der Bahn insbesondere bei den
Wegekosten zu beseitigen. Wir werden die europa- und
wettbewerbsrechtlich zulässigen und finanzierbaren
Möglichkeiten zur Senkung der Trassenpreise nutzen.
Ein fairer, diskriminierungsfreier Wettbewerb auf der
Schiene wird durch geeignete Maßnahmen
gewährleistet. Um die Modernisierung des
Schienennetzes voranzutreiben, streben wir an, die
Investitionsmittel für Straße und Schiene schrittweise
anzugleichen. Wir werden dafür sorgen, daß die
gesetzlich festgelegten Mittelanteile für
Schienen-Nahverkehrsprojekte bestimmungsgemäß
eingesetzt werden.
Die öffentlichen Verkehrssysteme müssen zuverlässiger,
schneller, behindertengerechter und attraktiver werden;
den besonderen Belangen von Frauen ist Rechnung zu
tragen. Eine Qualitätsoffensive für den ÖPNV setzt den
Erhalt der Regionalisierungsmittel sowie eine dauerhaft
gesicherte Förderung nach dem
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) voraus.
Die Magnet-Schwebebahn Transrapid ist eine
hochentwickelte Technologie. Grundlage für die
Realisierung des Projekts sind die Vereinbarungen im
Eckpunktepapier zwischen dem Bund, der Deutschen
Bahn AG und der Industrie vom April 1997. Darüber
hinaus gehende Kosten hinsichtlich Investition und
Betrieb wird der Bund nicht übernehmen. Unabhängig
von der Strecke Hamburg-Berlin soll die Perspektive
hinsichtlich der Weiterentwicklung und Anwendung der
Magnetschwebetechnik in Deutschland - gegebenenfalls
über eine andere Referenzstrecke - offengehalten
werden.
Es ist ein Gesamtkonzept für einen modernen,
umweltverträglichen Individualverkehr zu erarbeiten.
Dazu gehören folgende Elemente: Verbesserung der
Kraftstoffqualität, Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs
und der CO2-Emissionen, strenge Abgasgrenzwerte,
insbesondere für Lkw, und Einführung des 3-Liter-Autos.
Der Schutz vor Verkehrslärm, besonders während der
Nachtruhe, wird auf eine verbesserte gesetzliche
Grundlage gestellt. Im Vorgriff auf eine gesetzliche
Regelung ist aus dem Schienenbautitel ein
Sonderprogramm Lärmschutz für Härtefälle an
bestehenden Schienenstrecken aufzulegen.
Wir wollen die Verkehrssicherheit verbessern. Dazu
werden wir den Städten und Gemeinden durch eine
Novellierung der StVO größere Spielräume zum
besseren Schutz von Fußgängern und Radfahrern sowie
zur Reduzierung der Geschwindigkeiten in
geschlossenen Ortschaften eröffnen und uns dazu an den
verkehrspolitischen Forderungen des Deutschen
Städtetages orientieren.
Zur Bekämpfung des Alkohols am Steuer als einer der
Hauptunfallursachen im Straßenverkehr werden die
Rechtsfolgen der jetzigen 0,8 Promille-Grenze ab 0,5
Promille angewandt.
Zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen für alle
Verkehrsträger auf den europäischen Transportmärkten
wollen wir die Harmonisierungsdefizite im Bereich der
Steuer- sowie der technischen und Sozialvorschriften
beseitigen. Dadurch wird die internationale
Marktposition der deutschen Verkehrsunternehmen im
Straßen- und Schienengüterverkehr sowie der
Binnenschiffahrt gestärkt. Vollzugs- und Kontrolldefizite
bezüglich bestehender Rechtsvorschriften werden
abgebaut und die Kontrolldichte insbesondere
hinsichtlich von Gefahrguttransporten verstärkt. Das
Sicherheitskonzept für Gefahrguttransporte wird
verbessert.
Wir werden an einer umfassenden und umweltgerechten
Lösung des Transitproblems für den gesamten
Alpenraum aktiv mitwirken.
Der Einsatz der Verkehrstelematik in Deutschland und in
der EU wird vorangetrieben mit dem Ziel des
schrittweisen Aufbaus eines kompatiblen
Telematiksystems mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten,
z.B. für City- und Fernverkehrslogistik, für integrierte
Transportketten, telematische Zugleitsysteme,
verbesserte Fahrgastinformation sowie Stauvermeidung.
Zur gerechten Anlastung der Wegekosten wird die
zeitabhängige LKW-Vignette möglichst frühzeitig durch
eine fahrleistungsabhängige elektronische
Gebührenerhebung ersetzt. Dies trägt auch zur
Verlagerung von Güterverkehrsanteilen auf Schiene und
Schiff bei.
Die Rahmenbedingungen für den kombinierten Verkehr
werden verbessert.
Der Luftverkehr ist zur Sicherung der Mobilität
notwendig. Deutschland wird an der Entwicklung des
Weltluftverkehrs weiterhin beteiligt bleiben. Gleichzeitig
gilt es, die ökologischen Belastungen zu vermindern.
Kurzstreckenverkehr gehört auf die Schiene, nicht in die
Luft. Die Verknüpfung der Verkehrsträger muß deshalb
weiter verbessert werden.
Die bestehenden Flughafenplanungen müssen im
Zusammenwirken von Ländern und Bund aufeinander
abgestimmt werden, um eine bessere Kooperation zu
erreichen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit
sicherzustellen.
Wir werden uns auf EU-Ebene nachdrücklich für eine
Kerosin-Besteuerung im innereuropäischen Luftverkehr
und für die Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung im
grenzüberschreitenden Luftverkehr einsetzen.
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5. Ländliche Räume stärken - Landwirtschaft
sichern
Die neue Bundesregierung wird die ländlichen Räume
stärken und die Landwirtschaft auf der Grundlage einer
reformierten EU-Agrarpolitik mit ihren unterschiedlichen
Strukturen in Ost und West sichern.
Die neue Bundesregierung plädiert im Rahmen der
Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen
Union für eine Grünlandprämie, im Bereich Milch für das
Lieferrechtsmodell insbesondere zur Sicherung der
Grünlandstandorte und für einen Ausbau der
Agrarumweltmaßnahmen. Die Wettbewerbsfähigkeit der
Landwirtschaft einschließlich der vor- und
nachgelagerten Bereiche ist gleichzeitig zu stärken. Der
ländliche Raum und die Landwirtschaft sind in das
Bündnis für Arbeit mit einzubeziehen.
In der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und
Küstenschutz werden der Bereich Vertrags-Naturschutz
und Ökologischer Landbau erweitert und Regionale
Verarbeitung und Vermarktung aufgenommen. Die
Investitionsförderung wird nach Einkommenshöhe
gestaffelt, von flächengebundener Tierhaltung abhängig
gemacht und gleichberechtigt Nebenerwerbslandwirten
geöffnet. Das Absatzfondsgesetz wird reformiert und
auch auf regionale und ökologische Produkte
ausgerichtet.
Die Finanzierung und Qualität der Verbraucherberatung
wird gesichert.
Die neue Bundesregierung setzt sich für ein
europaweites Verbot von antibiotisch wirksamen
Futtermittelzusatzstoffen und Leistungsförderern ein und
wird ggf. eine nationale Regelung erlassen.
Die neue Bundesregierung setzt sich für eine Stärkung
der Verbraucherinteressen durch qualitativ hochwertige
Lebensmittel ohne bedenkliche Rückstände ein. Zur
Reduzierung des Dünge- und
Pflanzenschutzmitteleinsatzes wird die Forschung und
Beratung intensiviert.
Die neue Bundesregierung tritt für eine befriedigende
Altschulden-Regelung und die Schaffung von
Planungssicherheit für die ostdeutsche Landwirtschaft
hinsichtlich der Verlängerung der Pachtverträge sog.
volkseigener Flächen ein.
Nachwachsende Rohstoffe werden in der
Markteinführung in den Bereichen Bauen und Wohnen,
Pflanzöle und Biomassen verstärkt gefördert.
Die neue Bundesregierung setzt sich für eine deutliche
Ausdehnung des Ökologischen Landbaus ein, vorrangig
durch Absatz- und Vermarktungsförderung. Im Bereich
der Forschungsförderung und Ressortforschung werden
die Bereiche umwelt- und tiergerechte Erzeugung
verstärkt.
Die neue Bundesregierung wird eine Initiative zur
Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz und zur
Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen auch auf
europäischer Ebene ergreifen. Sie wird die
Tiertransportzeiten nachhaltig verkürzen und die
Tierhaltungsverordnungen im Sinne artgerechter
Tierhaltung verbessern.
Zur Stärkung der flächengebundenen Tierhaltung wird
die neue Bundesregierung eine Neuabgrenzung zur
gewerblichen Tierhaltung und den Abbau
diesbezüglicher rechtlicher Privilegien für die
gewerbliche Tierhaltung prüfen.
Die neue Bundesregierung wird sich für eine Prüfung und
zukunftsweisende Neugestaltung der Organisationen der
agrarsozialen Sicherung einsetzen.
Die im Besitz des Bundes befindlichen Wälder werden
auf naturnahe Waldwirtschaft umgestellt.
..."
Bonn, den 20. Oktober 1998