Beitrag im Jahrbuch 2001 des Stadtteilvereins
Handschuhsheim Botschaft aus der Steinzeit ?von Petra Bauer und Dieter Teufel Die Handschuhsheimer Landschaft war schon
sehr früh besiedelt, da sie hinsichtlich Klima, Bodengüte, Wasser und Topografie ideale
Lebensbedingungen aufweist. Bei vielen Ausgrabungen der letzten hundert Jahre wurden
deshalb Zeugen unserer Vorfahren in Form von Gräbern, Werkzeugen, Gebrauchsgegenständen,
Siedlungs- und Abfallgruben der verschiedensten Kulturen gefunden. (siehe z.B. 1, 2, 3)
Der Schwerpunkt der Funde liegt dabei auf Gebrauchsgegenständen wie Keramik, die die
lange Zeit im Boden überdauert haben. Die ersten schriftlichen Überlieferungen
aus unserem Raum stammen aus der Römerzeit vor knapp 2000 Jahren. Die Kulturen vor den
Römern hatten noch keine Schrift, mit deren Hilfe sie anderen Zeitgenossen oder
Nachkommen Informationen überliefern konnten. Sehr viel älter als die Schrift aber sind
Symbole und Zeichnungen, die von Menschen zu den verschiedensten Zwecken wie Jagd- und
Fruchtbarkeitsriten, Liebeszauber, Götterbeschwörungen, Krankheitsabwehr o.ä.
eingesetzt wurden oder mit deren Hilfe sie anderen Menschen etwas mitteilen konnten. Wenn
dies auf vergänglichen Materialien wie z.B. Holz geschah, sind diese Informationen
längst vergangen. Wenn sie jedoch z.B. in Steine geritzt worden waren, können sie
Jahrhunderte und Jahrtausende überdauern. Im Sommer 2000 fanden wir im
Handschuhsheimer Feld einen interessanten Stein, der möglicherweise eine solche
Überlieferung aus grauer Vorzeit darstellt. Im
Handschuhsheimer und Neuenheimer Feld wird in diesem Jahr so viel wie seit Jahren nicht
mehr gebaut. Im letzten Jahr wurde dazu aus verschiedenen Baugruben aus dem Neuenheimer
und Handschuhsheimer Feld Erdaushub in das Gewann Bodenmeister/Hühnerstein südlich des
Sportzentrums Nord gebracht. In diesem Gewann soll irgendwann einmal der neue Botanische
Garten der Universität entstehen. Die Römerstraße von Neuenheim nach Ladenburg führt
quer durch das Grundstück des geplanten Botanischen Gartens. Schön wäre es gewesen,
hätten sich die heutige Heidelberger Archäologie und die Botanik zusammengefunden und
ein Stück des 1,6 Jahrtausende alten Kulturdenkmals bewahrt, aber leider wurde die
erhöht liegende Trasse der Römerstraße beim Wegschieben der Muttererde angeschnitten
und teilweise zerstört. Der Baggerführer war nicht darauf hingewiesen worden, er wußte
nichts von der Römerstraße. Wir fanden in diesem Bereich rote Ziegelstückchen. Im
Anschluß wurde auf diesem Grundstück mit dem Erdaushub der Baustellen ein Erdhügel von
ca. 10 Metern Höhe errichtet. Zum Schluß wurde rund um das Gewann Stück ein ca. 60 cm
tiefer Graben ausgebaggert, um einen Zaun anzubringen. Dieser Graben durchschnitt wieder
den Bereich der Römerstraße. In
diesem Grabenabschnitt fanden wir einen kleinen Stein in der Größe von 4x3x2 cm, der
ungewöhnliche Zeichnungen aufweist. Der Kiesel lag in diesem Graben ca. 0,70 m unter dem
ursprünglichen Niveau des Feldes im Abstand von ca. 2-3 m vom westlichen Rand der
Römerstraße. Der Stein trägt eine Zeichnung, die wohl von einem Menschen mit einem
spitzen Gegenstand gemacht wurde. Durch einen Pflug oder durch andere Steine konnte diese
Abbildung und die parallel hintereinander liegenden Striche nicht entstanden sein. Zu
sehen ist ein nahezu gleichseitiges Dreieck und weitere weniger dicke, parallel geführte
Linien im Hintergrund, die auch ein zweites Dreieck darstellen könnten. Es handelt sich
um einen Muschelkalkkiesel, der normalerweise auf diesem Niveau im Handschuhsheimer Feld
im Schwemmlöss nicht vorkommt. Er muß wohl mit dem Bau oder bei der späteren Benutzung
der Römerstraße an diese Stelle gebracht worden sein. Das Foto zeigt den Stein von vorne. Um die
verwitterte Zeichnung noch besser sichtbar zu machen, wird das Foto auch im Negativ
dargestellt. Der zunächst naheliegende Gedanke, daß
der Stein auf Grund seines Fundortes neben der Römerstraße in Zusammenhang mit der
römischen Kultur stehen müsste, konnte schnell verworfen werden. Sowohl Frau Dr. Ludwig
vom Kurpfälzischen Museum als auch Dr. Berndmark Heukemes schließen übereinstimmend
aus, daß es sich um ein typisch römisches Fundstück handeln könnte. Dr. Heukemes
schließt auch einen keltischen Ursprung aus. Ludwig Merz weist darauf hin, daß die
Römer vor allem Ton verwendeten, um Aufzeichnungen oder Mitteilungen zu machen. Der Stein
könnte also durch die Tätigkeit der Römer beim Bau der Römerstraße aus tieferen
Schichten (unterhalb des Schwemmlösses) hochgeholt und in den Schwemmlössbereich des
Handschuhsheimer Feldes verfrachtet worden sein. Nähere Untersuchungen mit eigenen
Ritzungen in Muschelkalkkiesel und ihrer anschließenden mikroskopischen Untersuchung
bestätigen, daß die Zeichnungen auf der Oberfläche des Fundstückes nicht natürlichen
Ursprunges sein können. Aufgrund des Verwitterungszustandes der Kanten der eingeritzten
Striche lässt sich unter dem Mikroskop ein relativ hohes Alter abschätzen. Auch Dr.
Falkenstein vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg und Frau
Schmelzer von der Abteilung Felszeichnungen der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg
bestätigen die Einschätzung, daß die Zeichnungen wohl menschlichen Ursprungs und nicht
zufällig entstanden sind. Frau Schmelzer weist darauf hin, daß Gegenrichtungen bei
Ritzungen von Steinen geomorphologisch nur schwer zu erklären sind. Auch in die Jungsteinzeit lässt sich der
Fund kaum einordnen. Dr. Heukemes kennt aus dieser Zeit vor allem filigrane Ornamentik auf
kleinen Blättchen, in die man Löcher bohrte und die man z.B. um das Armgelenk trug. Auch
Dr. Falkenstein hält einen Ursprung des Steines in der Jungsteinzeit für
unwahrscheinlich, er ordnet den Fund eher in die jüngere Altsteinzeit (12-15 000
Jahre vor heute) ein. In dieser Zeit um 13 000 v.Chr. wanderten wieder Menschen aus
Frankreich und Spanien, die nahezu eisfrei geblieben waren, nach Nordfrankreich, die
Nordostschweiz und nachfolgend nach Deutschland ein. Man bezeichnet ihre Kultur als
Magdalenien. Das Magdalenien war die Blütezeit der Rentierjagd. Zwergstrauchtundren
beherrschten das Bild unserer Landschaft. Wildpferde und Rentiere traten in grösseren
Herden auf, daneben gab es Mammut, Fellnashorn und Saiga Antilopen. Was zeigt der Stein uns ? Deutlich
erkennbar ist ein Dreieckssymbol, das Teil einer Frauengestalt sein könnte. Dreht man es
auf den Kopf, könnte es ein Schamdreieck sein. Daneben ist ein zweites Dreieck, das
genauso interpretiert werden könnte. Ritzzeichnungen dieser Art mit erotischem Charakter
sind für das Magdalenien typisch. Ludwig Merz sah in den Zeichnungen einen fliegenden Vogel oder ein galoppierendes Pferd. (Originalzitat Ludwig Merz in seiner verschmitzten Art: Da steckt mehr Pferd drin als in dem Standbild vor den Heidelberger Druckmaschinen...) Heute, wahrscheinlich 12 000 - 15 000 Jahre nach Herstellung dieser geheimnisvollen Nachricht lässt sich wohl nicht mehr eindeutig sagen, was der Urheber damit ausdrücken wollte. Wir können allerdings unsere Phantasie spielen lassen und die Zeichnung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und sie auf uns wirken lassen und uns dabei vorstellen, wie es dem Urheber dieses kleinen Kunstwerkes in unseren Fluren vor über 10 000 Jahren wohl ging, was seine Gedanken und Gefühle waren und was er damit vielleicht ausdrücken wollte. Der kleine, jetzt aufgetauchte Stein kann uns so Zeugnis sein aus einer längst vergangenen Zeit, die nichts von unserer heutigen Zeit wusste und von der wir nur sehr vage Vorstellungen haben. 1 Heukemes,
Dr. Berndmark, Reiche römische Steinkistengräber vom Hilzweg in
Heidelberg-Handschuhsheim, Jahrbuch Handschuhsheim 1997, 5 - 9 |
|