Autoindustrie nicht zukunftsfähig
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Februar 2007/Oktober 2008

Deutsche Automobilindustrie nicht zukunftsfähig 

Deutschlands Autoindustrie und die Umwelt: Das ist seit Jahrzehnten eine sich wiederholende Geschichte von Ignoranz, Täuschungen und Verdrängungen. 

Anfang der achtziger Jahre, als in den USA der Katalysator bei Autos schon seit Jahren Stand der Technik war, versuchte die deutsche Autoindustrie mit Vehemenz, seine Einführung in Deutschland zu verhindern. Gelungen ist es ihr nicht, aber sie schaffte es zusammen mit willfährigen Politikern, die Entgiftung der für Mensch und Natur schädlichen Autoabgase um mehr als ein Jahrzehnt zu verzögern. Ähnliches passierte bei der umweltfreundlichen Entsorgung von Altautos Mitte der Neunziger Jahre, als Autokanzler Gerhard Schröder seinen Umweltminister Jürgen Trittin in Brüssel zurückpfiff und Deutschland gegen die EU in Stellung brachte. Normalerweise wiederholt sich Geschichte ja nicht, aber was sich in den letzten Jahren beim Russfilter für Dieselautos abspielte, war eine fast identische Wiederholung der Geschichte des Katalysators. Die Verzögerungen bei der Einführung des Standes der Technik bei Dieselfahrzeugen werden rund 20 000 Menschen in Deutschland langfristig das Leben kosten, die bei einer technisch möglichen, früheren Reduzierung der Feinstaubemissionen nicht zu Schaden gekommen wären. Die letzte Glanzleistung war das Verschlafen des modernen verbrauchsarmen Hybridantriebs, wo die deutsche Automobilindustrie das Feld kampflos japanischen Herstellern überließ. 

Zur Zeit wird ein neues Kapitel geschrieben - der erbitterte Kampf der Autolobby gegen eine Reduzierung der klimaschädlichen CO2-Emissionen. Schon Mitte bis Ende der Neunziger Jahre wollte die damalige Bundesregierung auch im Verkehr eine Verringerung der hohen Emission klimaschädlicher Gase durchsetzen. Die Automobilindustrie war, wie immer, dagegen. Und sie fand in Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Fürsprecher, der die Gesetzesvorhaben stoppte, weil die Automobilindustrie versprach, die CO2-Emissionen freiwillig zu reduzieren. Europas Autohersteller verpflichteten sich 1998 um Auflagen zu verhindern, bis 2008 den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 auf 140 Gramm und bis 2012 auf 120 g pro Auto und Kilometer im Durchschnitt zu begrenzen. Es stand zwar schon damals fest, dass dieses Ziel verfehlt werden wird, aber gesetzliche Auflagen waren erfolgreich abgewehrt worden. Die Automobilindustrie ließ ihrer Selbstverpflichtung so gut wie keine Taten folgen. Im Gegenteil: Die Hauptentwicklungsarbeit ging in immer schnellere und leistungsstärkere Fahrzeuge. Die durchschnittliche CO2-Emission ging kaum zurück, die Emission der Diesel-PKW stieg in den letzten Jahren sogar an. Allein im letzten Jahr nahm die Zulassung von Stadtgeländewagen um 16,5% zu. Im Jahr 2006 lag die durchschnittliche CO2-Emission aller in Deutschland neu zugelassenen Benziner bei 171,8 g, die der Diesel-PKW bei 173,4 g CO2 pro km, der Durchschnitt aller zugelassenen Neuwagen bei 172,5 g CO2 pro km. Damit liegt die tatsächliche Emission der Neuzulassungen um 23,2% höher als der in der freiwilligen Selbstverpflichtung der Automobilindustrie für 2008 zugesagte Emissionswert.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Verteilung der monatlich zugelassenen PKW auf verschiedene Emissionsklassen. Es ist ersichtlich, dass nur ein kleiner Teil der Fahrzeuge unter 140 g CO2/km liegt.

Wesentlich relevanter als die auf den Fahrzeugkilometer bezogenen spezifischen Emissionen der Neuzulassungsflotte, für die die Automobilindustrie 1998 eine Selbstverpflichtung abgab, sind jedoch die Gesamtemissionen. Die CO2-Gesamtemissionen können nämlich selbst bei einem Absinken der spezifischen Emissionen (pro PKW und km) weiter ansteigen, wenn z.B. die Zahl der Fahrzeuge, die gefahrenen Kilometer oder die gefahrenen Geschwindigkeiten zunehmen.

Bereits 1990 hatte sich die deutsche Automobilindustrie der damaligen Bundesregierung gegenüber verpflichtet, "ihren Teil dazu beizutragen, daß die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs, ungeachtet der weiteren Zunahme des Fahrzeugbestandes, bis zum Jahr 2005 um mindestens 25 % verringert werden können."

Statt einer Abnahme um 25% stiegen die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs jedoch zunächst ein Jahrzehnt weiter an und gingen erst ab 1999 durch die Einführung der Ökosteuer und durch die Verteuerung der Mineralölpreise in den letzten Jahren leicht zurück. Im Zieljahr 2005 lagen sie gerade um 2% niedriger als 1990.

Unter dem Druck immer erschütternderer Ergebnisse der modernen Klimaforschung musste die EU-Kommission jetzt handeln. EU-Umweltkommissar Dimas wollte im Januar 2007 für Neuwagen bis zum Jahr 2012 eine durchschnittliche Höchstgrenze für die spezifischen Emission von 120 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer vorschreiben. Dies entspräche einer Verringerung der derzeitigen spezifischen Emissionen um etwa 25 %. Anderenfalls könne die EU ihr Klimaziel aus dem Kyoto-Protokoll nicht einhalten. Der Grenzwert entspricht genau dem, zu was sich die Automobilindustrie 1998 verpflichtet hatte.

Diese Ankündigung rief erwartungsgemäß wieder den obligatorischen Sturm der Entrüstung der deutschen Automobilindustrie hervor, wie hätte es auch anders sein können. Es war die Rede vom Untergang der (zumindest bisher noch) wichtigen Exportindustrie. Und das nur deshalb, weil die EU letztlich das vorschreiben wollte, was die Automobilindustrie vor einem Jahrzehnt noch in einer Selbstverpflichtung zugesagt hatte. Verschiedene Politiker wie Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Glos beeilten sich, der Autoindustrie beizupflichten. Dabei wurde ein alter Diskussionstrick angewandt: Es wurde gegen einen Vorschlag argumentiert, den niemand gemacht hatte. Es könne deutschen Herstellern mit großen Autos nicht zugemutet werden, denselben Grenzwert einzuhalten wie z.B. italienischen Firmen mit kleineren Wagen. Klingt einleuchtend, damit konnte man auch guten Eindruck in Talk-Shows machen, nur hatte niemand einen solchen Vorschlag gemacht. Der Vorschlag des EU-Kommissars für Umwelt lautetete, eine Höchstgrenze von 120 Gramm CO2 pro Kilometer für Neuwagen des Jahrgangs 2012 im Durchschnitt festzulegen.

Auch der deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) widersprach dem Umweltkommissar und brachte letztlich den Vorschlag zu Fall. Verheugen brachte, wohl raffiniert von der Autolobby eingefädelt, einen modifizierten Vorschlag ins Gespräch, einen wohlklingenden sogenannten "integrierten Ansatz". Dieser besagt, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Grenzwert nicht mehr für den Verbrauch von Neuwagen gelten soll, sondern auch etliche sogenannte „weiche Faktoren“ wie spritsparende Reifen, Verkehrsleitsysteme, Biokraftstoffe oder umweltschonendes Fahrverhalten zum Einhalten des Zielwerts mitgerechnet werden sollen. Klingt gut, hat aber einzig und allein den Zweck, das Ziel nicht mehr kontrollierbar zu machen. Denn anders als der technisch exakt messbare Sprit-Verbrauch von Neuwagen könnten diese weichen Faktoren letztlich von niemandem eingefordert werden und sie können auch nicht exakt gemessen werden. Es könnte also am Ende ein zahnloses Gesetz herauskommen, das zwar schön aussieht, aber letztlich an der Klimaschädlichkeit des Verkehrs wenig ändern wird.

Die Lobbyarbeit hat erste Erfolge gezeitigt: Am 7.2.07 legte die EU-Kommission ein überarbeitetes Strategiepapier vor, in dem der durch Verbesserungen bei der Fahrzeugtechnologie zu erreichende Durchschnitts-Grenzwert von 120 auf 130 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer für 2012 erhöht wurde. Die restlichen zehn Gramm sollen in einem "integrierten Ansatz" durch den Einsatz von Biokraftstoff sowie effizientere Reifen und Klimaanlagen eingespart werden. Die Brüsseler Vorlage ist ein Strategiepapier, das noch keine Gesetzesvorschläge enthält. Die EU-Kommission plant konkrete Gesetzespläne erst Ende des Jahres bis Mitte 2008. Es ist zu befürchten, dass der Ansatz bis dahin noch weiter verwässert wird.

Die Zunahme der Zahl der Autos und der Fahrleistungen und der dadurch verursachten Emissionszunahme wird durch das EU-Konzept nicht beeinflusst. Die heute schon in der Dritten Welt bestehende Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelerzeugung und Biomassenproduktion und die Zerstörung wichtiger Ökosysteme (z.B. Regenwald) zur Anlage von Biomasseplantagen werden durch den Kompromiss erheblich verschärft werden.

6.10.2008: 1998 verhinderten Europas Autohersteller eine gesetzliche Regelung zur CO2-Minderung im Verkehr, indem sie eine freiwillige Selbstverpflichtung eingingen, die Autos sparsamer zu machen und bis 2008 den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 auf 140 Gramm pro Auto und Kilometer im Durchschnitt zu begrenzen. Geschehen ist seither so gut wie nichts. Jetzt, 10 Jahre später, verlangt die europäische Automobilindustrie finanzielle Hilfen vom Staat. Der Steuerzahler soll der Automobilindustrie jetzt einen niedrig verzinsten Kredit in Höhe von 40 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, damit sie das machen kann, was sie seit 10 Jahren versäumt hat: die Entwicklung sparsamerer Fahrzeuge.

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