Erhöhung der Tabaksteuer zur Finanzierung des GesundheitssystemsDie rot-grüne Bundesregierung beschloss am 8.5.2003, die Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel Zigaretten zu erhöhen. Die Einnahmen von ca. 3 Mrd. Euro sollen in vollem Umfang in die Krankenkassen fließen und das Gesundheitssystem entlasten. Ziel ist, die Kassenbeiträge von heute 14,3 auf 13 Prozent zu senken. Der Bundestag folgte dem Beschluss am 17.10.2003. Dieser Schritt ist sinnvoll. Er wird sowohl zu einer Entlastung der Lohnnebenkosten wie zu einem Rückgang des Konsums von Tabak und der dadurch verursachten Krankheiten führen. Der Beschluss der Bundesregierung folgt einem Vorschlag des UPI-Instituts und der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin-IGUMED vom August 1998. Die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, begründete das Konzept gesundheitspolitisch. "Wir wissen, dass jedes Preissignal dazu führt, dass sich Menschen überlegen, mit dem Rauchen aufzuhören". Sie erhielt Unterstützung von der Unions-Drogenbeauftragten Gerlinde Kaupa, die ebenfalls die Nutzung der Einnahmen für die Krankenkassen befürwortete. Auf Ablehnung stieß das Vorhaben bei anderen Vertretern der CDU/CSU und FDP und bei der Zigarettenindustrie. Dabei werden Argumente genannt, die wissenschaftlich nicht haltbar sind: "Entweder, man will das Gesundheitssystem finanzieren. Dann darf der Konsum von Zigaretten nicht zurückgehen. Oder man will den Tabakkonsum verringern. Dann erzielt der Staat durch die Erhöhung der Tabaksteuer keine Mehreinnahmen." Dieses lineare Denkmodell ist durch die Realität längst widerlegt. In der Praxis passiert bei Erhöhung der Tabaksteuer nämlich beides: Der Konsum von Tabak geht zurück, und zwar überproportional bei Jugendlichen. Und gleichzeitig steigt das Aufkommen des Staates an der Tabaksteuer, da die Elastizität zwischen Absatz und Steueraufkommen bei der Tabaksteuer wie bei fast allen anderen Steuern unter 1 liegt. Die Grafik „Tabak, Absatz und Besteuerung“ zeigt die Entwicklung der Steuereinnahmen aus der Tabaksteuer, des Tabaksteuersatzes und den Absatz von Tabak in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit. Aus der Grafik ist ersichtlich, dass die Erhöhungen des Tabaksteuersatzes durch die damit verbundene Verteuerung von Zigaretten zu einer signifikanten Senkung des Tabakgenusses führten. Heute liegt der Verbrauch von Zigaretten erheblich niedriger als Mitte der 70er Jahre. Aus der Grafik ergibt sich, dass dieser Rückgang in Schüben passierte, die zeitgleich mit den stattgefundenen Erhöhungen der Tabaksteuer zusammenfielen. Daraus lässt sich unschwer ableiten, dass die mit den Erhöhungen der Tabaksteuer verbundenen Verteuerungen von Zigaretten für den Gesundheitsschutz deutlich wirksamer waren als alle Aufklärungsmaßnahmen über die Schädlichkeit des Rauchens. Trotz der Vervierfachung des Tabaksteuersatzes pro Zigarette in den letzten 37 Jahren und des dadurch verursachten Rückgangs des Konsums von Zigaretten nahmen die Tabaksteuereinnahmen des Staates jedoch nicht ab, sondern zu. Sie betragen heute 12 Milliarden Euro pro Jahr. Sie liegen damit jedoch nur bei weniger als einem Drittel der durch das Rauchen verursachten volkswirtschaftlichen Kosten. Ein weiteres Argument in diesem Zusammenhang lautet: "Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, Raucher höher zu belasten. Rauchen kann zu schwersten Krankheiten und damit zu hohen Kosten für das Gesundheitswesen führen. Der richtige Weg wäre aber nicht eine Steuererhöhung, sondern eine Anhebung des Krankenkassenbeitrags für Raucher." Die Untersuchung des UPI-Instituts ergab eindeutig, dass eine Anhebung des Krankenkassenbeitrags für Raucher kein praktikabler Weg wäre. Er würde zwangsläufig zu einer Überwachung der Lebensgewohnheiten der einzelnen Krankenkassenmitglieder führen, was weder wünschenswert noch durchführbar wäre. Außerdem ließen sich die Krankenkassenbeiträge technisch nicht nach der Höhe des Tabakkonsums differenzieren. Alle diese Probleme treten bei der jetzt beschlossenen Erhöhung der Tabaksteuer und Verwendung der Einnahmen für die Krankenkassen nicht auf: die Lebensgewohnheiten der einzelnen Krankenkassenmitglieder müssen von den Krankenkassen nicht erfasst und überwacht werden, die Tabaksteuer wird wie bisher bei der Tabakindustrie erhoben und die Finanzierungsbeiträge der Raucher zu den Krankenkosten sind direkt proportional zu der Höhe ihres Tabakkonsums. Nachtrag 7.9.2004: Am 1.3.2004 trat die erste Stufe der Tabaksteuererhöhung um 1,2 Cent/Zigarette in Kraft. Es ist üblich und voraussehbar, dass die Steuereinnahmen aus der Tabaksteuer in den ersten Monaten danach sinken, da sich viele Verbraucher vor der Steuererhöhung mit Zigaretten eindeckten und auch ein Teil der Tabaksteuerwirtschaft die Abgaben verspätet abführt. Finanzpolitiker verloren jetzt jedoch schon nach wenigen Monaten den Mut und forderten am 6.9.04 aufgrund der zunächst gesunkenen Steuereinnahmen eine Rücknahme der zweiten und dritten Erhöhungsstufen (1.12.2004 und 1.9.2005 um je 1,2 Cent/Zigarette), da sich die "Erhöhung der Tabaksteuer nicht bewährt habe". Diese Sichtweise ist kurzsichtig. Ein Blick in die langjährige Statistik zeigt, dass die Steuereinnahmen wieder ansteigen werden, der Absatz von Zigaretten allerdings zurückgehen wird. Genau dies wurde durch die Erhöhung der Tabaksteuer beabsichtigt. Im übrigen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages bei der Einführung der Erhöhungsstufen beschlossen, die Höhe des Zuschusses aus der Tabaksteuererhöhung an die Krankenkassen nach Vorliegen genauer Statistiken gegebenenfalls anzupassen. Es kann also in keinem Fall zu einem "Loch im Haushalt" kommen. Nachtrag 15.9.2004: Die erhöhte Tabaksteuer zeigt erste Wirkung: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Caspers-Merk, hält die von einigen Politikern geforderte Aussetzung der Tabaksteuer für das falsche Signal und weiß dabei den Finanzminister an ihrer Seite. "Wir haben Erfolg. Erstmals gibt es in der Gruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen weniger Raucher. Seit 2001 ist deren Anteil von 28 auf jetzt 23 % gesunken", sagte Caspers-Merk. Deswegen wäre die Aussetzung der Tabaksteuer das falsche Signal. Es mache mehr Sinn, die Steuerschlupflöcher zu stopfen. "Beispielsweise muss über eine Erhöhung der zu geringen Besteuerung auf Tabak-Feinschnitt nachgedacht werden." Nachtrag 19.10.2004: Das Statistische Bundesamt veröffentlichte jetzt genaue Zahlen über den Tabakabsatz. Danach ging der Verkauf von Zigaretten nach der Tabaksteuererhöhung im März zunächst im zweiten Quartal 2004 um 26,2 % zurück. Im dritten Quartal stieg er wieder an und lag noch um 16,3 % unter den Werten des Vorjahreszeitraums. Damit lagen die Steuereinnahmen aus Zigaretten im 3. Quartal wieder auf der Höhe des Vorjahres. Gleichzeitig nahm die verkaufte Menge von losem Tabak zum Selberdrehen um 31,5 % zu. Der so genannte Feinschnitt ist deutlich niedriger besteuert als fertige Zigaretten. Es wäre also sinnvoll, die Tabaksteuer auf Feinschnitt stärker zu erhöhen. 31.5.05: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts konsumierten die Raucher in Deutschland 2004 15,8 Prozent weniger Zigaretten, aber 30,4 Prozent mehr Feinschnitt. Damit wurde etwa ein Viertel des Zigarettenrückgangs kompensiert. Nachdem in den vergangenen Jahren die Zahl der Raucher unter den 12- bis 17-Jährigen kontinuierlich gestiegen war, sank sie 2004 erstmals um 8 %. Die dritte Stufe der Tabaksteuererhöhung um noch einmal 1,2 Cent/Zigarette wird zum 1. September 2005 wie geplant in Kraft treten. 27.8.2010: Ein Rückblick auf die Entwicklung zeigt, dass die Prognosen eingetroffen sind. Die Erhöhungen der Tabaksteuer im letzten Jahrzehnt führten zu einem deutlichen Rückgang des Tabakkonsums und damit auch der durch Tabak verursachten volkswirtschaftlichen .kosten Trotz des starken Rückgang des Tabakkonsums sind die Steuereinnahmen des Staates aus der Tabaksteuer nicht gesunken. Sie liegen heute rund 30% höher als 1999.
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46 "Kostenumschichtung im Gesundheitswesen durch Anwendung des
Verursacherprinzips - Vorschläge für eine Finanzreform im Gesundheitswesen" |
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