UPI 44 Krebs und Verkehr
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UPI-Bericht Nr. 44

Krebsrisiko durch Benzol und Dieselrußpartikel an Straßen

Zusammenfassung

Der UPI-Bericht 44 bewertet aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, u.a. von 30 epidemiologischen Studien am Menschen zum Zusammenhang von Dieselruß und Lungenkrebs, das Krebsrisiko durch den Kraftfahrzeugverkehr neu. Die Berechnung ergibt, daß durch die Emission von Dieselruß und Benzol aus Kraftfahrzeugabgasen in der Bundesrepublik Deutschland pro Jahr ca. 8 000 Fälle von Lungenkrebs verursacht werden. Das Risiko, an vielbefahrenen Hauptstraße einen  Lungenkrebs durch Kraftfahrzeugabgase zu entwickeln, beträgt heute mehr als 1 zu 40.
Es ist seit langem bekannt, daß Umweltschadstoffe des Straßenverkehrs bösartige Tumoren und Leukämie verursachen. Als Beispiel zeigen die beiden Grafiken "Kinderkrebsfälle und Kfz-Verkehr" die Ergebnisse einer epidemiologischen Untersuchung, in der Krebs- und Leukämiefälle von Kindern untersucht wurden.  Nach der Nivellierung sozioökonomischer und anderer nichtökologischer Faktoren ergab sich, daß die Anzahl der Krebsfälle von Kindern stark mit dem Straßenverkehr zusammenhängt. Je dichter der Kraftfahrzeugverkehr in der Wohngegend des Kindes ist, um so höher ist das Risiko, an Leukämie oder Krebs zu erkranken.

Kinderkrebsfälle und Verkehr  (14326 Byte)

Kinderkrebsfälle und Verkehr  (18603 Byte)

 

Die Risikofaktoren des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI)

Der Länderausschuß für Immissionsschutz (LAI) faßte im Jahr 1992 die vorhandenen Untersuchungen in einem Bericht für die Bundesländer und die Bundesregierung zusammen. Darin wird das Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen verschiedener Arten ermittelt und z.B. räumlich differenziert dargestellt (siehe Grafik "Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen"). Daraus ist ersichtlich, daß das Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen überwiegend durch den Kraftfahrzeugverkehr verursacht wird. Um das Problem für den Gesetzgeber behandelbar zu machen, schlägt der Länderausschuß für Immissionsschutz ein sogenanntes "Akzeptables Krebsrisiko von 1 Krebsfall  pro 2 500 Einwohnern" vor. Ein darüber hinausgehendes Krebsrisiko solle durch die Umweltgesetzgebung verhindert werden. Aus diesem Risikowert leitet der Länderausschuß für Immissionsschutz Vorschläge für Grenzwerte z.B. für Benzol und Dieselrußpartikel in Höhe von 2,5 bzw. 1,5 µg/m3 ab. Obwohl diese Grenzwerte wegen ihrer Höhe medizinisch problematisch wären, wurden vom Gesetzgeber noch nicht einmal diese Werte umgesetzt. Mit mehrjähriger Verzögerung verabschiedete die Bundesregierung die 23. BImSch-Verordnung, die im März 1997 in Kraft trat. Darin werden ab 1995 für Benzol und Dieselruß ein Grenzwert von 15 µg/m3 und 10 µg/m3 und ab 1998 ein Grenzwert von 10 bzw. 8 µg/m3 festgeschrieben. Diese Grenzwerte liegen um das 3- bis 10-fache über den vom Länderausschuß für Immissionsschutz vorgeschlagenen Grenzwerten.

upi44LAI.gif (13667 Byte)

upi44GW.gif (23141 Byte)

 

Diese Grenzwerte werden in bewohnten Gebieten durch den Straßenverkehr häufig überschritten. Tabelle 6  zeigt als Beispiel Ergebnisse von Immissionsmessungen in Baden-Württemberg. Gemessen wurde der Jahresmittelwert von Benzol und Dieselruß an 64 Meßorten. An 44% der Meßorte war der Grenzwert der 23. BImSchV von 10 µg/m3 für Benzol und an 70% der Grenzwert von 8 µg/m3 für Dieselruß überschritten. Die durch den Länderausschuß für Immissionsschutz empfohlenen Grenzwerte von 2,5 µg/m3 für Benzol und 1,5 µg/m3 für Dieselruß waren an 100% der Meßorte weit überschritten. (Bericht über Umweltausschuß Heidelberg)
Die vom LAI verwendeten Risikofaktoren, mit denen das Krebsrisiko ermittelt wird, stellen dabei nicht den Stand der Wissenschaft dar. Dies wird im Folgenden am Beispiel der Dieselrußpartikel erläutert. Tabelle 1 zeigt die in verschiedenen Untersuchungen ermittelten Risikofaktoren ("unit-risk" bei einer lebenslangen Inhalation von 1 µg/m3 Dieselrußpartikel) für Lungenkrebs.   

      Lungenkrebsrisiko
Untersuchungsart Bemerkungen Organismus unit risk 1x 10-5 Autoren
Kurzzeittests "Comparative potency" Maus, Bakterien

4

Albert et al. ,1983
Kurzzeittests "Comparative potency" Maus, Bakterien

3

Albert et al. ,1983
Kurzzeittests "Comparative potency" Maus, Bakterien

7

Cuddihy et al. ,1984
Kurzzeittests M.wert von 3 Motoren Maus, Bakterien

69

Harris ,1983
Inhal.versuch Multistage Modell Ratte

1

Albert und Chen ,1986 Auswertung von Mauderly
Inhal.versuche Linear Ratte

6 -12

Pott und Heinrich,1987 Auswertung von Brightwell, Heinrich, Mauderly
Inhal.versuch Time-to-tumor Modell Ratte

2 - 3

Smith und Stayner ,1990
Inhal.versuche Logistische Regression Ratte

8

McClellan et al. ,1989
Epidemiologie Londoner Transportarbeiter erwachsener Mensch

140

Harris ,1983 
Epidemiologie Eisenbahnarbeiter (Garshick) erwachsener Mensch

60 - 200

McClellan et al. ,1989 
Inhal. versuche Dosimetriemodell Ratte

2

Pepelko und Chen ,1993 Auswertung von Brightwell, Ishinishi, Mauderly
Inhal. versuche Dosimetriemodell Ratte

7

LAI 1992
Inhal. versuche Dosimetriemodell Ratte

80

Hattis und Silver, 1992

Tabelle 1: Risikofaktoren für Lungenkrebs bei einer lebenslangen Inhalation
von 1 µg/m3 Dieselrußpartikel, aus LAI 1992
 

Risikofaktoren wurden aus Tierexperimenten mit Mäusen, Ratten und aus epidemiologischen Untersuchungen am (erwachsenen) Menschen ermittelt.  
Tierversuche haben eine Reihe von Nachteilen, von denen die meisten in Richtung einer Unterschätzung des Risikos bei der Übertragung auf den Menschen wirken: So beträgt die Zeitdauer, denen die Versuchstiere einem Schadstoff im Experiment ausgesetzt sind, in der Regel nur einige Monate. (Maximale Lebensdauer von Ratten: 2 bis 2,5 Jahre). Der Mensch hingegen ist dem Schadstoff in der Umwelt meist Jahrzehnte ausgesetzt. Gerade bei der Bildung bösartiger Tumoren ist seit Jahrzehnten bekannt, daß die Latenzzeit beim Menschen Jahre bis Jahrzehnte beträgt. 
Versuchstiere sind zwar in der Regel auch Säugetiere. Die Übertragung quantitativer Ergebnisse von Versuchstieren auf den Menschen ist jedoch mit großen Unsicherheitsfaktoren verbunden. Das bekannteste Beispiel ist die Contergankatastrophe, die die Folge der Tatsache war, daß der Mensch 200 bis 700 mal empfindlicher auf Thalidomid, den Wirkstoff des Contergans, reagierte als die Versuchstiere, an denen das Präparat getestet worden war.  
In Tierexperimenten werden genetisch einheitliche Versuchstierstämme eingesetzt. Dies bringt zwar den Vorteil besserer wissenschaftlicher Reproduzierbarkeit, klammert jedoch die hohe genetische Variabilität beim Menschen und eine genetisch verursachte besondere Empfindlichkeit einzelner Menschen gegenüber bestimmten Schadstoffen aus. Dasselbe gilt für die Tatsache, daß im Tierexperiment in aller Regel nur gesunde Versuchstiere eingesetzt werden, während die Schadstoffe der Umwelt beim Menschen auf eine Gesamtbevölkerung treffen, in der Gesunde genauso vertreten sind wie Kranke, Ältere, Gebrechliche, Säuglinge und Kleinkinder.  
Wie sich aus Tabelle 1 ergibt, liegen die aus epidemiologischen Untersuchungen am (erwachsenen) Menschen ermittelten Risikofaktoren mit 140 bis 200 x 10-5 um mehr als eine Zehnerpotenz höher als die aus Tierexperimenten gewonnenen Daten. Trotzdem stützt sich der LAI in seiner Risikobewertung auf einen aus Rattenexperimenten ermittelten Risikofaktor von 7 x 10-5. Auch dieser Wert liegt noch nicht einmal für Ratten auf der sicheren Seite, da z.B. Hattis and Silver, 1992, aus Rattenexperimenten einen Risikofaktor von 80 x 10-5 ermitteln. Die Höhe der Risikofaktoren geht linear in die Höhe des berechneten Krebsrisikos ein.  
Während die LAI-Studie, die in den letzten Jahren die amtliche Grundlage für Risikoberechnungen durch Dieselruß und Benzol in der Bundesrepublik Deutschland darstellte, nur zwei epidemiologische Studien über das Krebsrisiko durch Dieselruß beim Menschen anführt (Tabelle 1), existieren in der Realität über 20 solcher epidemiologischen Studien. Wie Tabelle 2 zeigt, war die überwiegende Zahl dieser epidemiologischen Studien bereits vor Abfassung der LAI-Studie veröffentlicht. Bei diesen insgesamt 24 Studien wurden verschiedene Berufsgruppen, die z.B. als LKW- oder Busfahrer Kraftfahrzeug-Abgasen ausgesetzt waren, in Form von retrospektiven, prospektiven oder Fall-Kontroll-Studien untersucht. Insgesamt wurden dabei 6 231 Fälle von Lungenkrebs analysiert. Wichtet man die in den einzelnen Studien ermittelten relativen Risikowerte nach der Zahl der untersuchten Lungenkrebsfälle, ergibt sich aus den 24 epidemiologischen Studien ein relatives Risiko der Dieselruß-exponierten Beschäftigten im Vergleich zu Männern der Normalbevölkerung von 1,45, d.h. eine Erhöhung des Risikos um 45%. Bei 10 der 23 Studien wurden die Ergebnisse nach den Rauchgewohnheiten der Beschäftigten korrigiert. Legt man lediglich diese Studien zugrunde und ermittelt das nach Zahl der untersuchten Lungenkrebsfälle gewichtete relative Risiko der Beschäftigten nach Korrektur auf Rauchgewohnheiten, ergibt sich bei insgesamt 5 027 erfaßten Lungenkrebsfällen ein gewichtetes mittleres relatives Risiko in Höhe von 1,65.
      korrigiert auf    Exposition,         
Autor, Jahr Type Rauchen: Beruf Kategorie Fälle

RR

95% Cl

Ahlberg et al, 1981 RC Nein LKW-Fahrer   

161

1,10

1.1-1.6

Boffetta et al, 1988 PC Ja LKW-Fahrer   

48

1,24

0.93-1.oo

      Ja Maschinisten   

5

2,60

1.12-6.06

      Ja Straßenarbeiter   

14

1,59

0.94-2.69

Boffetta et al, 1990 CC Ja Diesel-exponiert >30 Jahre

17

1,49

0.72-3.11

Coggon et al, 1984 CC Nein Diesel-exponiert   

172

1,30

1.0-1.6

Damber&Larsson,1987 CC Ja Fahrer >20 Jahre

37

1,20

0.6-2.2

Edling et at, 1987 RC Nein Busfahrer   

6

0,67

0.24-1.46

Garshick et al, 1987 CC Ja Straßenarbeiter >20 Jahre

117

1,64

1.18-2 20

Garshick et at, 1988 RC Nein Straßenarbeiter >15 Jahre

N/A

1,72

1.27-2.33

Gustafsson et at, 1986 RC Nein Dockarbeiter   

70

1,32

1.05-1.66

Gustavsson et al, 1990 RC Nein Busgaragen-Arbeiter Hohe Exposition

12

2,00

1.43-2.8

Hansen, 1993 RC Nein LKW-Fahrer   

76

1,60

1.26-2.0

Hayes et at, 1989 CC Ja Busfahrer >10 Jahre

38

1,60

0.9-2.8

      Ja LKW-Fahrer >10 Jahre

147

1,50

1.1-1.9

      Ja Maschinisten >10 Jahre

14

1,30

0.6-3.1

Howe et al, 1983 RC Nein Straßenarbeiter Wahrscheinl.Exp

279

1,35

1.2-1.52

Lerchen et al, 1987 CC Ja Diesel Mechaniker   

7

0,60

0.2-2.0

Menck & Henderson 1976 RC Nein LKW-Fahrer   

109

1,65

1.35-1.99

Raffle 1957 RC Nein Bus & Trolleyfahrer   

30

1,40

0-94-2.0f

Rafnsson & Gunnarsdottir 1991 RC Nein LKW-Fahrer >30 Jahre

24

2,32

0.85-5.04

Rushton et al, 1983 RC Nein Busmechaniker   

102

1,01

0.82-1.22

Siemiatycki et al, 1988 CC Ja Dieselruß-exponiert   

76

1,08

0.92-1.27

Steenland et at, 1990 CC Ja Diesel LKW-Fahrer >25 Jahre

128

1,60

1-2.3

Swanson et at, 1993 CC Ja LKW-Fahrer >20 Jahre

121

2,44

1.43-4.16

     Ja Straßenarbeiter >10 Jahre

40

2,46

1.24-4-87

Williams et al, 1977 CC Ja LKW-Fahrer   

22

1,52

0.9-2.56

     Ja Straßenarbeiter   

12

1,40

0.74-2.64

Wichmann et al., 1997  CC Ja Dieselruß-exponiert   

4184

1,60

1,33-1,92

Wong et al, 1985 RC Nein Maschinisten >20 Jahre

163

1,07

0.91-1.24

RC = retrospective cohort study; PC = prospective cohort study; CC = case-control study

Tabelle 2: Zusammenstellung der epidemiologischen Studien über
Lungenkrebs und Dieselruß-Exposition beim Menschen, nach Bhatia et al., 1998  und UPI
 

 

7 Studien analysierten das Lungenkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Expositionsdauer (siehe Tabelle 3). Dabei ergab sich in jedem Fall eine deutliche Zunahme des Risikos mit der Dauer, der die Beschäftigten Kraftfahrzeugabgasen ausgesetzt waren.   

Autor Typ

Rauch-Korrektur

Untergruppe Expositionsjahre RR 95% Cl
Boffetta et al 1990 CC Ja Diesel-exponiert

1-15

0,52

0.15-1.86
           

16-29

0,70

0.34-1-44
           

>30

1,49

0.72-3.11
Damber&Larsson,1987 CC Ja Fahrer

1-19

1

0.7-1.5
           

>20

1,20

0.6-2.2
Garshick et al. 1987 CC Ja Straßen Arbeiter

5-19

1,02

0.72-1.4
           

>20

1,64

1.18-2.2
Garshick et al. 1987 RC Nein Straßen Arbeiter

1-4

1,20

1.01-1-44
           

5-9

1,24

1.06-1.44
           

10-14

1,32

1.13-1.56
           

>15

1,72

1.27-2.33
Hayes et al, 1989 CC Ja Maschinisten

<10

1,50

0.4-4.3
           

>10

1,30

0.6-3.1
         LKW-Fahrer

<10

1

0.8-1.3
           

>10

1,50

1.1-1.9
         Busfahrer

<10

1,10

0.6-2.1
           

>10

1,60

0.9-2.8
Steenland et al. 1990 CC Ja Diesel LKW-Fahrer

1-24

1,27

0.7-2.27
              

25-34

1,26

0.74-2.16
           

>35

1,89

1.04-3.42
Swanson et al. 1993 CC Ja Straßen Arbeiter

1-9

1,57

0.8-3.11
           

>10

2,46

1.24-4.87
         Schwer-LKW-Fahrer

1-9

1,56

0.95-2.58
           

10-19

1,67

0.87-3.18
           

>20

2,44

1.43-4.16

Tabelle 3: Epidemiologische Studien über Lungenkrebs und Dieselruß-Exposition
beim Menschen nach Zeitdauer der Exposition, nach Bhatia et al., 1998


Zur Berechnung des Risiko durch Dieselrußpartikel in der Umwelt müssen Unit-Risk-Werte zugrunde gelegt werden. Diese geben die Zahl der Lungenkrebsfälle pro 100 000 Menschen bei einer lebenslangen Schadstoff-Inhalation von durchschnittlich 1 µg/m3 an.

Stayner, L. et al., 1998, führten einen Review der bisher aus epidemiologischen Studien errechneten Unit-Risk-Berechnungen durch (siehe Tabelle 8). Je nach der Art der Berechnung der Schadstoffkonzentrationen in der Vergangenheit bei den in der jeweiligen epidemiologischen Studie exponierten Personen, dem verwendeten statistischen Auswertemodell und der angenommenen Latenzzeit für Lungenkrebs ergeben sich Abweichungen in den erhaltenen Unit-Risk-Werten. Die berechneten Unit-Risk-Werte liegen zwischen 48 und 438 x 10-5.

 

Studie

Datenquelle

Exposition

Statistisches Modell

unit risk
x 10
-5
Normalbevölkerung

unit risk
x 10
-5 95%-Wert

Harris, 1983 Londoner Transportarbeiter, Harris, 1983 Expositionskonzentration Additives relatives Risikomodell

62

238

Smith and Stayner, 1991 Fall-Kontrollstudie von US-Straßen-arbeitern, Garshick et al., 1988 Expositionskonzentration Log-lineares relatives Risikomodell

76

391

Kalifornische EPA, 1997 Kohortenstudie von US-Straßenarbeitern, Garshick et al., 1988 Kumulative Exposition, Dachkurve Inverse varianzgewichtete lineare Regression

286

381

    Kumulative Exposition, Dachkurve Poisson Verteilung

181

257

    Kumulative Exposition, Rampenkurve Poisson Verteilung

438

666

    gewichtete durchschnittliche Exposition, Dachkurve Armitage-Doll-Modell: 10 Jahre Latenzzeit

48

71

    gewichtete durchschnittliche Exposition, Dachkurve Armitage-Doll-Modell: 5 Jahre Latenzzeit

57

86

    gewichtete durchschnittliche Exposition, Rampenkurve Armitage-Doll-Modell: 5 Jahre Latenzzeit

162

276

Steenland et al., 1998  Fall-Kontrollstudie von US-LKW- Fahrern, Steenland et al., 1990 Kumulative Exposition logistische Regression

214

367


Tabelle 8: Lungenkrebsrisiko (unit-risk, Inzidenz) für Normalbevölkerung aus verschiedenen epidemiologischen Studien, nach Stayner, L. et al., 1998
 

 

Die jüngste Berechnung wurde von Steenland et al., 1998, durchgeführt. Sie beruht auf den Daten einer Fall-Kontroll-Studie von LKW-Fahrern in den USA mit 994 Lungenkrebsfällen und 1 085 Kontrollen. Die Stärke der Studie liegt u.a. darin, daß die gesamte Lebensspanne der Exponierten berücksichtigt wurde (Fälle und Kontrollen im Pensionsalter) und somit die Gesamtheit der aufgetretenen Karzinome erfaßt wurde. Die Konzentrationen an Dieselrußpartikeln wurden bei verschiedenen Tätigkeiten der Exponierten gemessen und konnten so der Auswertung in Abhängigkeit von der ausgeübten Tätigkeit zugrunde gelegt werden. Die Berechnungen wurden für Alter, Rauchgewohnheiten, Asbestexposition und Rasse korrigiert. Sie ergaben bei Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung einen Unit-Risk-Wert von 45 x 10-5 für beruflich Exponierte (45 Jahre Berufszeit, 240 Tage pro Jahr und einer Atemrate von 10 m3 pro Tag während der Arbeitszeit). Für die Normalbevölkerung (70 Jahre Expositionszeit, 365 Tage pro Jahr und einer Atemrate von 20 m3 pro Tag) errechnet sich ein Unit-Risk-Wert in Höhe von 214 x 10-5. Diese Unit-Risk-Werte wurden mit der Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ermittelt. In der Studie zeigte sich jedoch eine bessere Übereinstimmung mit einer logarithmischen Kurve. Da diese im niedrigen Konzentrationsbereich ein höheres Risiko als bei einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ergibt, stellen die linear berechneten Werte wahrscheinlich eine Unterschätzung des Risikos dar.

Lungenkrebs stellt nur eine Art von Krebs-Risiko durch den Kraftfahrzeugverkehr dar. Verschiedene epidemiologische Untersuchungen zeigen auch bei anderen Tumorraten ein erhöhtes Risiko bei Personen, die Kraftfahrzeug-Abgasen ausgesetzt sind.

Berechnung der Lungenkrebsfälle durch Dieselruß und Benzol

Analog zu den Berechnungen der LAI-Studie wurden in UPI-Bericht 44 die Zahl der Lungenkrebsfälle durch Dieselruß- und Benzol-Emissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr in der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 1998 berechnet. Grundlage dazu waren die in epidemiologischen Studien am Menschen ermittelten Risikofaktoren und die an zahlreichen stationären und mobilen Meßstationen in der Bundesrepublik Deutschland gemessenen Immissionen.  
Insgesamt ergibt sich, daß durch die beiden Schadstoffe Dieselruß und Benzol aus dem Kraftfahrzeugverkehr in der Bundesrepublik Deutschland unter den heutigen Bedingungen 8 000 Lungenkrebsfälle pro Jahr verursacht werden. Das entspricht u.a. der Gesamtzahl der bei Verkehrsunfällen pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland getöteten Personen.  
In Ballungsräumen stirbt etwa jeder 90. Bewohner, an Hauptverkehrsstraßen sogar jeder 40. Anwohner an Lungenkrebs, der durch Dieselruß- und Benzol-Emissionen des Straßenverkehrs verursacht wird. Dies ist ein unakzeptabel hohes Risiko. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik Deutschland stirbt jeder 560. Bewohner durch alle Arten krimineller Gewalteinwirkung (Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge). Das Risiko, in Ballungsräumen durch Dieselrußemissionen des Verkehrs an Lungenkrebs getötet zu werden, liegt 6-mal, an Hauptstraßen sogar 14-mal höher als das Risiko, durch Gewalteinwirkung zu sterben.  

Lungenkrebsfälle

pro Jahr durch   

Jeder x.

stirbt durch   
 

Dieselruß

Benzol

Summe

Dieselruß

Benzol

Summe
ländliche Gebiete

282

2

285

611.

73 260.

606.

Kleinstädtische Gebiete

854

9

863

367.

34 188.

363.

Ballungsräume

6 840

85

6 926

89.

7 123.

88.

Hauptstraßen         

39.

2 564.

39.

Gesamt

7 977

97

8 074

137.

11 285.

135.

Tabelle 4: Zahl der durch Dieselruß und Benzol in der Bundesrepublik Deutschland
verursachten Lungenkrebsfälle pro Jahr und Höhe des durchschnittlichen
individuellen Risikos

 

Tabelle 5 zeigt die von verschiedenen Institutionen für zulässig erachteten Krebsrisiken.

Institution

1 Krebsfall "zulässig" pro

Amerikanische Umweltbehörde (EPA 1990)

1 000 000 Menschen

Länderausschuß für Immissionsschutz, abgeleitet aus Rattenexperimenten (LAI 1992), Summe der cancerogenen Immissionen

2 500 Menschen

Länderausschuß für Immissionsschutz, umgerechnet auf Epidemiologie erwachsener Menschen, nur Benzol und Dieselruß

330 Menschen

Bundesregierung 23. BImSchV: Grenzwerte für Benzol und Dieselruß in Normalluft 1996, nach LAI, Rattenexperimente.

1 500 Menschen

Bundesregierung 23. BImSchV: Grenzwerte für Benzol und Dieselruß in Normalluft 1996, umgerechnet auf Epidemiologie erwachsener Menschen

60 Menschen

Tabelle 5: "Zulässiges Krebsrisiko" durch Luftschadstoffe für Normalbevölkerung

 

Die Berechnungen wurden mit den in Westdeutschland gemessenen Dieselruß-Expositionen in der Gewichts-Einheit µg/m3 durchgeführt. Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre deuten jedoch darauf hin, daß nicht das Gewicht des Dieselrußes in der Atemluft, sondern die Anzahl der lungengängigen Partikel für die Krebsentstehung verantwortlich ist. Während das Gewicht der Emission von Dieselruß aus Dieselmotoren in den letzten Jahrzehnten gesunken ist, blieb die Zahl der lungengängigen Partikelemissionen gleich bzw. nahm zu. Dies konnte bei der Ermittlung dieses Unit-Risk-Wertes nicht berücksichtigt werden, da genaue Meßwerte über die auf der Zahl lungengängiger Dieselrußpartikel basierende Dieselruß-Emission von Motoren über die letzten Jahrzehnte nicht vorliegen. Eine Abschätzung zeigt jedoch, daß unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes der Unit-Risk-Wert für Dieselruß deutlich höher als hier berechnet ausfallen würde: Die gemessene Übersterblichkeit an Lungenkrebs von Dieselruß-exponierten Berufsgruppen wurde in den letzten Jahrzehnten durch eine deutlich geringere Zahl lungengängiger Dieselrußpartikel verursacht als es den auf dem Gewicht der Dieselruß-Exposition basierenden Meßwerten entspricht. Dies bedeutet einen höheren Risikowert für die heutige Situation, in der zwar das Gewicht der Dieselruß-Emissionen reduziert, die Zahl lungengängiger Partikel jedoch bisher durch die Abgasgesetzgebung nicht begrenzt und nicht reduziert wurde. 
Da die Abgasgesetzgebung bisher weder Grenzwerte noch Pläne für zukünftige Grenzwerte für die Begrenzung der Zahl lungengängiger Dieselruß-Partikel realisiert hat und der Verkehr mit Dieselmotoren nach verschiedenen Prognosen in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen wird (Zunahme des Güterverkehrs, Verlagerung von Güterverkehr von der Schiene auf die Straße, Zunahme der Diesel-OKW durch  Förderung von Dieselmotoren im Personenverkehr durch eine geringere Mineralölsteuer), werden die durch Dieselruß-Emissionen des Verkehrs verursachten Gesundheitsschäden und Todesfälle in Zukunft nicht ab-, sondern zunehmen.
UPI-Bericht 44 "Krebsrisiko durch Benzol und Dieselrußpartikel an Straßen":
Oktober 1997, 4. Auflage Juli 1999

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